Neue Männer

Neue Männer braucht die Welt

Neue Männer braucht das Land, sang Ina Deter in den 1980iger Jahren. Ja, ich glaube, neue Männer braucht die Welt. Es braucht neue Machthaber, nicht solche, die ihre Macht gebrauchen, wie es unserer Welt nicht gut tut. Ein demokratisch gewählter Expräsident heizt die Stimmung in seinem Land auf, so dass das Parlamentsgebäude in seinem Land von einem wütenden Mob gestürmt wird. Ein Diktator lässt ein Flugzeug entführen, um einen kritischen Journalisten festzusetzen. Er fordert damit die Europäische Union und die gesamte zivile Luftfahrt heraus. In seinem Land bleiben Menschen voller Angst zurück, aber auch mit großem Mut und großer Unbeugsamkeit. Andere Machthaber lassen „Wahlen“ abhalten. Ernst zu nehmende Gegenkandidaten werden zur Wahl nicht zugelassen. Sie stehen unter Hausarrest, sind im Gefängnis oder in Straflagern. Wieder andere gehen klüger vor. Sie bringen ganz subtil Länder mit Geld in ihre Abhängigkeit und lassen im eigenen Land keine Meinungsfreiheit zu. Menschenrechte werden formal zwar bejaht, aber faktisch mit Füßen getreten.

Neue Männer und Frauen braucht die Welt, Menschen, die aus einem anderen Geist heraus leben und handeln, Machthaber, die ihre Macht nicht missbrauchen. Macht hat mit machen zu tun, mit etwas machen, etwas bewirken, etwas herstellen. Jemand ist mächtig, weil er über bestimmte Fähigkeiten verfügt. Diese Fähigkeiten kann ich einsetzen, so oder so. Ich kann damit einen Massenmord organisieren wie Adolf Hitler oder ich kann als Arzt in den Urwald gehen wie Albert Schweitzer. Beide haben ihre rühmlichen oder unrühmlichen Nachfolger gefunden, Ärzte ohne Grenzen auf der einen Seite oder Diktatoren unterschiedlichster Couleur auf der anderen Seite.
Man kann seine Macht gebrauchen, um andere dabei zu unterstützen, sich selbst zu entwickeln und zu helfen, man kann sie aber auch missbrauchen, um andere klein zu halten und zu unterdrücken. Es geht darum, sich um wahre Erkenntnis zu mühen, nicht fake news aufzusitzen oder gar zu verbreiten, sondern um Einsichten, die wirklich weiterhelfen, und um den Mut, entsprechend zu handeln.

Für viele junge Menschen beginnt nach der Sommerpause ein neuer Lebensabschnitt. Welche Zukunftsperspektive haben sie? Um ihrer und unser aller Zukunft willen braucht es einen anderen Geist, nicht den Geist des Neokapitalismus, in dem einige wenige auf Kosten von vielen leben und es sich gut gehen lassen können.

Auch in der Kirche braucht es diesen anderen Geist. In Kanada hat der Fund von Überresten von 215 Kinderleichen auf dem Gelände eines ehemaligen Internates aufgeschreckt. Kinder indigener Völker waren von ihren Familien getrennt und in Internate gesteckt worden, wo sie im Sinne einer europäisch geprägten Zivilisation zu kultivierten Menschen erzogen werden sollten. Ihre eigene Kultur sollten sie verlernen und vergessen. In Deutschland leidet die Glaubwürdigkeit der Kirche massiv unter der schleppenden Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch. Kardinal Marx von München und Freising hat jüngst auf Probleme aufmerksam gemacht, die im System der Institution Kirche begründet liegen, darin, wie Kirche organisiert ist. Es gibt keine wirkliche Machtkontrolle. Das erleichtert das Verschleiern von Fehlern. Menschen weiblichen Geschlechts finden zu wenig Berücksichtigung und Gehör. Das Sagen haben Männer, die sich verpflichtet haben, zölibatär zu leben. Das fördert ungutes „männerbündisches“ Verhalten. Gegenüber einem ungesunden Klerikalismus will Marx den synodalen Weg in der Kirche stärken. Er erinnert an den Geist der Bergpredigt und möchte alles daransetzen, dass Kirche wieder vertrauenswürdig und ein Ort von Schutz und Geborgenheit gerade auch für die Schwächsten einer Gesellschaft ist: Kinder, Alte, Arme, Kranke. Papst Franziskus ermutigt ihn und jeden Christen dazu, das Seinige dazu beizutragen. Eben: Neue Männer braucht das Land, und Frauen auch.

Bild: LIGHTFIELD STUDIOS Adobe Stock

Über den Autor/ die Autorin

Pater Heinz-Willi Rivert SAC

Geboren 1960 in Rheinbach bei Bonn. Katholischer Priester in der Gemeinschaft der Pallottiner, Diplom in Theologie und in Psychologie. Ehemals in der Jugend-, Pfarr-, Schul- und Hochschulseelsorge tätig, kurz nach der Wende von 1989 auch für drei Jahre im Bistum Erfurt. Seit 2020 lebt er im Missionshaus der Pallottiner in Limburg/Lahn. Er ist tätig in der Seelsorge, in religiöser Erwachsenenbildung und in der freien Mitarbeit bei verschiedenen Publikationen.