Der Lebensatem Gottes: Wie der Heilige Geist die Welt in Bewegung hält

Schon in den ersten beiden Kapiteln der Bibel, in den beiden Schöpfungserzählungen in Genesis 1 und 2, spielt der Geist als bewegendes Element und als Lebensatem eine Rolle. Und ohne Bewegung kein Leben.

In der ersten Schöpfungserzählung heißt es, dass die Erde wüst und wirr war und Gottes Geist über der Urflut schwebte. Dann entstand alles Leben. In der zweiten Schöpfungserzählung heißt es am Beginn, dass der Herr den Menschen vom Staub des Erdbodens formte und in seine Nase den Lebensatem blies. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.

Damit der Mensch lebendig werde, bedurfte es Gottes Lebensatem. Es bedurfte des Geistes Gottes. „Komm, heilger Geist, der Leben schafft, erfülle uns mit deiner Kraft. Dein Schöpferwort rief uns zum Sein: Nun hauch uns Gottes Odem ein“, singt die Kirche in ihrem Hymnus zu Pfingsten (GL 342). In einer moderneren Fassung dieses Hymnus heißt es: „Komm herab, o heilger Geist, ohne dein lebendig Wehn kann im Menschen nichts bestehn, kann nichts heil sein noch gesund. Was befleckt ist, wasche rein, Dürrem gieße Leben ein, wärme du, was kalt und hart, löse, was in sich erstarrt, lenke, was den Weg verfehlt“ (GL 344).

Lebensgeist

Manche Menschen brauchen am Morgen, um in die Gänge zu kommen, erst einmal einen Kaffee, damit ihre Lebensgeister wach werden. Erst dann kommen sie richtig in Bewegung. Vom Geist, der lebendig macht und in Bewegung bringt, handelt eine Erzählung im prophetischen Buch Ezechiel in der Bibel. Manche Menschen empfinden sie als unangenehm und makaber, mich beeindruckt sie immer wieder neu. Ezechiel wird in einer Vision in eine Ebene voller toter Gebeine versetzt. Können diese toten und ausgetrockneten Gebeine wieder lebendig werden, wird er gefragt. Er antwortet: Gott und Herr, du weißt es. Im Namen und Auftrag Gottes darf er ausrichten, dass Gott mit seinem Geist diese toten Gebeine wieder lebendig macht.

Am Ende folgt die Auflösung dieser Vision. Die toten Gebeine sind ein Bild für das Gottesvolk Israel, das sich tot glaubt ohne Hoffnung. Der Herr aber haucht ihnen seinen Geist wieder ein, so dass sie lebendig werden und erkennen, dass Gott der Herr ist. Diese Vision ist auch eine Vision für heute, für eine tot geglaubte Kirche und ein nicht mehr lebendiges und glaubwürdig gelebtes Christentum in unserer Zeit. Gottes Geist kann uns wieder Leben einhauchen und uns überzeugend werden lassen. Im Neuen Testament werden dies die Jünger lernen und erfahren, wenn sie in ihrem Boot unterzugehen drohen, und Jesus ihnen auf stürmischer See entgegenkommt.

Ein Bild auch für unsere Kirche, wenn Wind und Wetter gegen uns stehen, wir in unserem Kirchenschiff unterzugehen drohen, und er uns entgegenkommt und uns die Botschaft mitgibt: Ich bin. Ich bin da. Fürchtet euch nicht weiter. Das ist das entscheidende (Dauer-)Wunder der Auferstehung, dass wir trotz aller Schwächen und Krankheiten, Misserfolge und des andrängenden Todes nicht aufgeben müssen, sondern immer noch dagegenhalten, dabei sogar leben und erstaunlichste Dinge tun können, so wie es Paulus in seiner Bedrängnis erfahren hat. Er schreibt in seinen Briefen immer wieder davon.

Die Welt in Bewegung

Ohne Bewegung sind wir tot und ohne einen Geist, der uns in Bewegung hält. In der christlichen Schöpfungslehre ist Augustinus von Hippo der Erfinder des Begriffs der sogenannten creatio continua, der fortgesetzten Schöpfung. Thomas von Aquin versteht später darunter die Bewahrung und Erhaltung der Schöpfung durch ständiges Weiterschaffen. Ohne die Bewegung des ständigen Weitererschaffens der Schöpfung wäre die Welt tot.

Die moderne Naturwissenschaft lehrt ähnlich. Sie spricht lieber von Kosmogenese als von Kosmologie. Der Kosmos ist in ständiger Bewegung, in einem ständigen Prozess des Werdens und Entstehens begriffen und weniger als Kosmos stabil ein für alle Mal gegeben, der wie ein Uhrwerk abläuft. Heute spricht man viel von Vernetzung. Man sieht, dass das menschliche Gehirn einem neuronalen Netz gleicht, und als solches Netz ist es ständig in Bewegung und lernt ständig neu und dazu.

In künstlichen Netzwerken versucht man, sich solch neuronales Lernen zu Nutze zu machen. Das wiederum zeigt, dass die Welt und das Leben Bewegung ist. Ohne Bewegung sind wir tot.

Tomáš Halik, ein geistlicher Schriftsteller unserer Tage aus Tschechien, meditiert im Zusammenhang mit der Idee der creatio continua von Augustinus über die Gedanken einer sich fortsetzenden Menschwerdung (incarnatio continua), eines sich fortsetzenden Leides (passio continua) und einer sich fortsetzenden Auferstehung Christi (resurrectio continua). Damit wären diese Ereignisse auch keine einmaligen Geschehnisse vor 2000 Jahren. In einem Lied von heute heißt es: „Alle meine Quellen entspringen in dir, in dir mein guter Gott! Du bist das Wasser, das mich tränkt und meine Sehnsucht stillt. Du bist die Kraft, die Leben schenkt, eine Quelle, welche nie versiegt. Du bist der Geist, der in uns lebt, der uns reinigt, der uns heilt und hilft. Ströme von lebendigem Wasser brechen hervor.“

Bild: PaulPaladin Adobe Stock

Über den Autor/ die Autorin

Pater Heinz-Willi Rivert SAC

Geboren 1960 in Rheinbach bei Bonn. Katholischer Priester in der Gemeinschaft der Pallottiner, Diplom in Theologie und in Psychologie. Ehemals in der Jugend-, Pfarr-, Schul- und Hochschulseelsorge tätig, kurz nach der Wende von 1989 auch für drei Jahre im Bistum Erfurt. Seit 2020 lebt er im Missionshaus der Pallottiner in Limburg/Lahn. Er ist tätig in der Seelsorge, in religiöser Erwachsenenbildung und in der freien Mitarbeit bei verschiedenen Publikationen.