Ein Segen, der keiner ist - die Haltung der katholischen Kirche zur Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren

Ein Segen, der keiner ist

Nun hat die römische Glaubenskongregation durch ihren Präfekten, Manuel Kardinal Fernández, zur Frage des Segens noch einmal nachgelegt: Am 4. Januar 2024 wurde eine Pressemitteilung veröffentlicht, „um zur Klärung der Annahme der Erklärung Fiducia supplicans beizutragen …“ – Wer es noch nicht weiß: Es geht in dieser Erklärung Fiducia supplicans (FS) vom 18. Dezember 2023 um die „Segnung von Paaren in irregulären Beziehungen“. – So weit, so schlecht.

Die Erklärung FS war und ist eben nicht das, was sich viele erhofft hatten: ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk für alle Menschen, die in „irregulären“ Beziehungen leben und die nun gesegnet werden können. Wer das heute immer noch glaubt, ist auf dem Holzweg. Im Übrigen: Allein der Begriff „irregulär“ ist schon unverschämt und diskriminierend.

FS spricht lediglich von dem, was immer schon möglich war, dass nämlich unter bestimmten Bedingungen ein „irreguläres“ Paar, also ein gleichgeschlechtliches Paar oder ein wiederverheiratet geschiedenes Paar, gesegnet werden kann. Aber Vorsicht bitte! Die beiden beteiligten Personen können gesegnet werden, nicht aber ihre Beziehung als solche! Der Segen muss spontan erfolgen – er darf nicht geplant oder innerhalb einer gottesdienstlichen Feier gespendet werden. Die Beziehung bleibt weiterhin „irregulär“ und wird nach römischen Vorstellungen durch den Segen nicht legitimiert. Er darf keinesfalls im Zusammenhang mit einer standesamtlichen Trauung und ohne jede Verwechslungsgefahr mit einer kirchlichen Trauung erfolgen (durch Kleidung, durch Gesten oder Worte). Er darf weder ritualisiert noch durch eine gewisse Feierlichkeit auch nur als halbliturgischer Akt erscheinen. Und vorher ist durch den Seelsorger zu prüfen, ob die Segensadressaten Gott und die Kirche um Hilfe bitten bei ihrem Bemühen, dem Willen Gottes in Zukunft besser zu entsprechen und vollständiger zu verwirklichen. – Wenn all diese Bedingungen erfüllt sind, darf der Segen gnädigerweise gespendet werden.

Ein Ratz-Fatz-Segen, der nur Sekunden dauern darf

Die jetzt erfolgte zweite Erklärung vom 04. Januar 2024 setzt noch eins obendrauf: Die Segnungen sollen vor allem sehr kurz sein: „Es ist eine Angelegenheit von 10 oder 15 Sekunden“ schreibt der oberste Glaubenshüter. Und man darf kein Ritual daraus machen oder ein Benediktionale (i.e. ein liturgisches Handbuch mit Segnungen für verschiedene Gelegenheiten) benutzen. Wörtlich heißt es: „Wenn [spontan] zwei Personen gemeinsam herantreten, um einen Segen zu erbitten, bittet man einfach den Herrn um Frieden, Gesundheit und andere Güter für diese beiden Personen, die ihn erbeten. Gleichzeitig bittet man darum, dass sie das Evangelium Christi in voller Treue leben mögen und dass der Heilige Geist diese beiden Personen von allem befreien möge, was nicht seinem göttlichen Willen entspricht und alles, was der Reinigung bedarf.“ (Nr. 5)

Ein solcher Ratz-Fatz-Segen, der nur Sekunden dauern darf, ist eine Demütigung – nicht mehr und nicht weniger. Eigentlich ist er eher ein Fluch. Denn es wird weiterhin diskriminiert und verteufelt – mit klarer Ansage! Deshalb haben mich die Beifallsstürme nach der Veröffentlichung von FS ohnehin schon irritiert. Denn es gab ja sofort viel mehr rote Linien als Spielräume. Und in den bisher bei uns in Deutschland stattfindenden Gottesdiensten zum Valentinstag war wesentlich mehr möglich: das waren Gottesdienste in Kirchenräumen und es wurden alle gesegnet, die kamen – ohne Beschränkung durch Stand, Ansehen, Aussehen, sexuelle Orientierung und Sündenregister. Wozu also jetzt dieser unwürdige Fiducia-Segen?

Unbarmherzig oder gar diskriminierend

Sicher ist es gut, an dieser Stelle noch einmal auf den Handlungstext 13 des Synodalen Weges der katholischen Kirche in Deutschland zu Segensfeiern für Paare, die sich lieben, hinzuweisen. In diesem Votum heißt es: „Die Weigerung, die Beziehung zweier Menschen zu segnen, die ihre Partnerschaft in Liebe, Verbindlichkeit und Verantwortung zueinander und zu Gott leben wollen, erweist sich in einer Gesellschaft, die Menschenwürde und freie Selbstbestimmung als Maxime moralischer Normierung errungen hat, als unbarmherzig oder gar diskriminierend. Eine solche Weigerung lässt auch gnadentheologisch Fragen offen. Das belastet nicht nur die Verkündigung der Menschenfreundlichkeit Gottes und das Doppelgebot der Nächsten- und Gottesliebe, sondern stellt die Glaubwürdigkeit kirchlichen Handelns in unserem Kulturkreis vor gravierende Fragen.“

Der Kirchenrechtler Norbert Lüdecke hat die richtige Frage gestellt: Warum werden vom römischen Lehramt, das sich doch unter dem Stichwort „Synodalität“ dem Zuhören verpflichtet hat, solche Voten nicht ernster genommen?

Letztlich können wir auf einen unwürdigen römischen Segen leicht verzichten: auf einen Segen, der erst noch klarstellen muss, nichts zu bewirken, „was moralisch nicht vertretbar ist“; auf einen Segen, dessen Sinn es ist, „dass der Heilige Geist“ uns „von allem befreien möge, was nicht seinem göttlichen Willen entspricht und alles, was der Reinigung bedarf“; auf einen Segen, dessen Ziel es ist, uns zu „helfen“, unseren „Glauben zu manifestieren“, auch wenn wir „große Sünder sind“; auf einen Segen, der sich auf die Bitte „um Frieden, Gesundheit und andere Güter“ beschränkt; auf einen Segen, der „eine Angelegenheit von 10 oder 15 Sekunden“ ist; auf einen Segen, der nicht im Rahmen eines Gottesdienstes oder einer liturgischen Feier, ja nicht einmal in der Nähe eines Altars stattfinden darf; auf einen Segen, zu dem uns niemand gratulieren darf. – Solch ein Segen ist kein Segen!

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Über den Autor/ die Autorin

Pater Siegfried Modenbach SAC