Kommt, auf, wir wollen gehen im Licht des Herrn!

Frieden - erst am Ende der Tage?

Ein klassischer Text der Adventszeit ist die Vision des Jesaja (Jes 2,1-5). Er ist bestimmt von der Vorstellung, dass alle Völker aufbrechen, um an einen einzigen Ort zu strömen. Das gehört sicher für viele von uns eher zu den Schreckensszenarien. Da ginge doch in Folge von Überfremdung die eigene Identität verloren. Wie viele Fremde sollen denn noch eingebürgert werden? Manchen schaudert bei diesem Gedanken.
Und aus Schwertern Pflugscharen schmieden, das ist angesichts des russischen Angriffskriegs und den chinesischen Drohungen schon mehr als blauäugig. Immer lauter wird stattdessen der Ruf, dass wir mehr Schwerter, mehr Waffen brauchen.

Ist Gott weltfremd?

Der Prophet Jesaja versteht seine Worte aber als Heilsverheißung. Alle Grenzen werden überwunden, alle Mauern eingerissen, jeder Hass beseitigt. Die Menschen finden zueinander, es gibt weder Rassen noch Hautfarben, weder Völker noch Staaten. Es gibt nur noch die große Menschheitsfamilie.
Da wird mit einem Schlag deutlich: Gott denkt nicht wie ein Politiker. Er ist einfach Gott! Oder sagen wir es doch: Gott ist weltfremd.

Aber eigenartig ist, gleichzeitig gibt es einen Trend zu Globalisierung, zu internationaler Zusammenarbeit. Es ist, als würde sich unterschwellig doch die Einsicht melden: Ja, das wäre es. Das wäre zum Wohl aller. Doch schnell bremst wieder die Sorge um die eigenen Vorteile.

Erst am Ende der Tage?

Der Prophet Jesaja wagt eine Zeitangabe, wann diese Zukunftsvision Wirklichkeit sein könnte. Er sagt: „Am Ende der Tage!“ Das klingt fast nach Vertröstung, nach Verschieben oder Beschwichtigung: „Nicht so ernst zu nehmen!“
Aber Jesaja setzt ans Ende seines Bildes ganz praktisch die Aufforderung: „Kommt, auf, wir wollen gehen im Licht des Herrn!“ Jesaja blickt auf das große Finale, träumt den großen Traum vom Weltfrieden, aber beginnt bei sich selbst. Kommt, auf, wir wollen gehen im Licht des Herrn!

Ich will mein Schwert umschmieden. Ich weiß von mir selbst: Meine Worte sind gelegentlich scharf und schneidend, ich merke oft gar nicht, wie tief sie verletzen können. Und dabei können Worte aufbauen, stärken, Mut machen, Anerkennung schenken. Das pflanzt den Frieden, verwandelt Schwerter zu Pflugscharen. Komm, fang schon mal an. Mit deinen Gedanken und Worten, mit deiner kleinen Welt.

Sorgen wir dafür, dass schon heute die Richtung klar ist!

Aber das gilt auch für die Politik. Dieser Tage war zu lesen, dass es schon lange im Bundestag nicht mehr so viele Ordnungsrufe gegeben habe wie zur Zeit. Manche Kraftsprüche bei Demonstrationen oder in den sozialen Netzwerken, manche Stammtischparolen über Fremde und Ausländer wirken wie Stiche ins Herz. Warum werden sie gesetzt? Weil man mit Beifall von vielen rechnen kann. Das darf nicht sein. Sorgen wir dafür, dass überall wo wir Zeugen werden, wie solche Schwerter ausgepackt werden, diese umgeschmiedet werden – und wo uns das nicht gleich gelingt, dass sie doch wenigstens stumpf gemacht werden.

So beginnt etwas von der Zukunft, die Jesus Reich Gottes nennt. Das ist ein langer Prozess. Da gibt es auch Versagen und Rückschläge. Auch wenn die Vollendung erst am Ende der Tage sein wird, in unserem Planen und Handeln muss schon jetzt die Richtung klar sein: Für Gott besteht das Ziel der Geschichte und der Hoffnung für diese Welt darin, dass sich Fremde wirklich als Geschwister begegnen. Dann findet Weihnachten seine Erfüllung: Gott wird Mensch!

 

Bild: doidam10 Adobe Stock

Über den Autor/ die Autorin

Pater Peter Hinsen SAC

geboren 1944 in Friedrichshafen, seit 1971 Priester in der Gemeinschaft der Pallottiner. Nach vielen Jahren in der Erwachsenenbildung, in der Priesterausbildung und als Autor von Büchern und Zeitschriften (u.a. „das zeichen“) lebt und arbeitet er jetzt in der Kommunität Friedberg (Bayern).