ERNEUERUNG DER KIRCHE
Eine pallottinische Perspektive – Pfingsten 2019
Alle sind betroffen
Die Erneuerung der Kirche geht alle an, das ganze Volk Gottes mit seinen vielfältigen Mitgliedern, den Gemeinden vor Ort, den religiösen Gemeinschaften, den Priestern und Bischöfen, den Einzelnen und Gemeinschaften, auch der Papst braucht die Erneuerung immer wieder – alle eben und das Ganze der Kirche ebenso.
Die Kirche bedarf einer ständigen Reform, um nicht den Weg und ihre Identität zu verlieren, wie das Zweite Vatikanische Konzil sagt: semper reformanda. Das ist die Grundlage für den gemeinsamen Weg, einen – wörtlich – synodalen, des ganzen Gottesvolkes (inklusive der darin lebenden Amtsträger). Es fehlt in der Kirche an Gespräch und Austausch, an beständigen synodalen Strukturen (sowohl im Kirchenrecht als auch in außerrechtlichen Formen des alltäglichen kirchlichen Lebens – regional und weltkirchlich), die das bleibende Miteinander aller, Christgläubige wie Kleriker, dauerhaft ermöglichen. Schritte, die den kontinuierlichen Austausch und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe fördern, sind notwendig und zu begrüßen.
Verheutigung und verständliche Sprache
Leben aus dem Vertrauen in Gott muss seine Relevanz für heute zeigen, um ein Zeugnis sein zu können. Auf Griechisch und Hebräisch geht es nicht mehr, auch nicht in Latein oder in der Ausdrucksweise der ersten Konzilien oder in (neu)scholastischen Definitionen oder der Sprache des 19., nicht einmal des beginnenden 20. Jahrhunderts.
Die Zeit der kulturübergreifenden, Zeitlosigkeit beanspruchenden Weltkatechismen ist vorbei. Es braucht vielfältige Übersetzungen und das bedeutet Veränderung. Was Wahrheit bedeutet, bedarf der Vermittlung in die verschiedenen Zeiten, Kulturen und Denkweisen hinein. Im Lebenszeugnis wie im Wort muss Christsein immer wieder neu ausgedrückt werden. Deshalb sind Säkulare, Atheisten, Muslime, Buddhisten und die vielen anderen – alle suchenden Menschen der Maßstab, um Lebensformen und Sprachweisen zu finden, die sie verstehen können.
Erneuerung wohin?
Der Weg der ständigen Erneuerung ist pastoral motiviert: Er hat die Menschen mit ihren Sorgen, Freuden, Ängsten und Hoffnungen (vgl. Konzil, Gaudium et spes) im Blick, jene, mit denen wir als Christinnen und Christen leben, ob gewählt und freiwillig oder durch die Umstände vorgegeben. Zwei Orientierungspunkte weisen der Erneuerung die Richtung:
(1) zunächst die Rückkehr zu den Quellen, nämlich zur jüdisch-christlichen Bibel und der ersten Zeit;
(2) der Blick auf die Anforderungen der Gegenwart, die Zeichen der Zeit (vgl. Konzil, Perfectae caritatis).
Beides ist anspruchsvoll und fordert eine kompetente Auseinandersetzung, benötigt Kenntnisse, Analysen. Dafür ist der Gemeinschaft der Gläubigen der Heilige Geist gegeben. Er wirkt in der Kommunikation zwischen den Suchenden und Forschenden, damit das Glaubenszeugnis authentisch wird und bleiben kann. Die Zeichen der Zeit brauchen immer wieder neu das Bemühen um Deutung und die entsprechenden Konsequenzen. Erneuerung der Kirche ist deshalb auch fachkompetente Vertiefung in das, was Christentum bedeutet und die kundige Deutung der Zeitanalyse.
Die Kirche ist deshalb eine Lerngemeinschaft: Durch Offenheit für Suche und Irrtum, Umkehr und Neuanfang gilt es, stets Neues zu lernen. Und schließlich ist sie eine Gemeinschaft von Sündern, ein Ort dramatischer Schuld. Auch deshalb bedarf sie der ständigen Reform.
Strukturelle Sünde braucht Bekehrung
Es waren die vielen sexuellen Missbräuche, die Anstoß für einen synodalen Weg wurden. Dass es zu solchen Skandalen kam, ist nicht nur Schuld der Einzelnen, sondern hat auch strukturelle Gründe. Zu viel unkontrollierte Macht hat sich in der kirchlichen Hierarchie angesammelt. Deshalb bedeutet eine ehrliche Erneuerung auch die Begrenzung der Macht durch Partizipation und Kontrolle. Für die Kirchengestalt im 21. Jahrhundert lassen sich da Wege finden. An dieser Stelle geht es auch um Gerechtigkeit in der Aufteilung von Leitungsverantwortung zwischen Männern und Frauen. Auch wenn es nicht gleich zu einer Reform des immer noch diskriminierenden Kirchenrechts kommen mag, so sind konkrete Schritte als Zeichen der Umkehr und Erneuerung wichtig.
Die Kunst des Zuhörens
Da der Glaube vom Hören kommt, bedarf es der Schärfung der kirchlichen Hörfähigkeit auf allen Ebenen. Leitung bedeutet heute vor allem qualifiziertes Zuhören, das dann zu einer gemeinsamen Weggestaltung führt. Schon in der Benediktsregel, dem alten Erbe westkirchlicher Überlieferung, ist bezeugt, dass Gott seinen Willen oft den Jüngeren eingibt und auf sie besonders zu hören sei.
Nach Vinzenz Pallotti sind alle Menschen Adressaten der Geistausgießung. Die ganze Welt ist Raum der Gegenwart des Geistes, alle sind vom Geist begabt. Wo immer der Mensch hinkommt, ist Gottes Geisteskraft bereits da. Kirchliche Erneuerung bedeutet, sich in den Entwicklungen und Ereignissen der Gegenwart ansprechen zu lassen im Vertrauen, dass Gott in der Geschichte wirkt und durch sie zu uns spricht. Auch säkular eingestellte Menschen haben Christen etwas zu geben, auch in Menschen anderer Religionen und Weltanschauungen wirkt Gottes Geist. Deshalb ist ein Weg der Reform auch darauf ausgerichtet, in neuer Weise urteilsfrei, aber die Geister unterscheidend zu hören und sich in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen.
P. Hans-Peter Becker SAC, Hersberg
P. Alexander Diensberg SAC, Vallendar
P. Rolf Fuchs SAC, Friedberg
P. Jörg Gattwinkel SAC, Vallendar
Sibylle Kagerer UAC, Tegernheim
P. Markus Haus SAC, Friedberg
P. Reinhold Maise SAC, Konstanz
P. Siegfried Modenbach SAC, Dortmund
P. Sascha Heinze SAC, Graz
P. Christoph Lentz SAC, Friedberg
P. Michael Pfenning SAC, Friedberg
Dr. Brigitte Proksch UAC, Wien
P. Dr. Paul Rheinbay SAC, Vallendar
P. Erik Riechers SAC, Vallendar
P. Ulrich Scherer SAC, Vallendar
P. Dr. Werner Weicht SAC, Hersberg
Gertrud Westmark UAC, Wien
Dr. Alois Wittmann UAC, Bruck
Dr. Roswitha Wittmann UAC, Bruck
P. Leo Wiszniewsky SAC, Limburg
Veronika Zisterer, Deilingen
P. Fritz Kretz SAC, Konstanz
Alexander Schweda, Stuttgart
Monika Urban, Roding
Sr. Dorotea Castano SAC
P. Christian Stumpf SAC, Freising
Hermi Mair, Thomasroith
Brigitte Sieberer, Weißenkirchen
Elfi Jammernegg, Wals
Marianne Ofner, Wilfersdorf
Inge Widerer, Bad Rheichenhall
Anni Kellner, Salzburg
Gertrud Westmark, Wien
Über den Autor/ die Autorin
Der Unterstützerkreis
Bei den Unterstützerinnen und Unterstützern dieses Diskussionsbeitrages, handelt es sich um Schwestern und Brüder der pallottinischen Unio und des pallottinischen Freundeskreises.
Es fällt doch den meisten Amtsträgern unendlich schwer, die Kirche als eine „sich ständig zu erneuernde“ zu sehen. Ich warte als kirchlicher Laie seit gut 35 Jahren auf Erneuerung (kirchenrechtlich, liturgisch, Begegnungen auf Augenhöhe…), es tut sich nichts! Das genaue Zuhören und der pfingstliche Mut fehlen.
Quelle und Frucht kirchlicher Arbeit sollte doch wohl die Liebe zum Menschen sein. Wenn sich die Kirche dieser Tatsache stellen würde und gleichzeitig ihre sündige, schwache Seite annähme, gäbe es dann ein Problem mit wiederverheirateten Geschiedenen, Heirat von Priestern, Eucharistiefeier eines wiederverheirateten, geschiedenen Priesters, Frauenpriestertum? Das Scheitern ist ein Teil menschlichen Daseins und sollte in die Barmherzigkeit Gottes hineingestellt werden. Er jedenfalls schenkt ständig Vergebung und Neuanfang!
Hallo! Ich bin begeistert von diesem Text. Selten habe ich sowas Ehrliches und Mutiges gelesen. Ich denke, wir als Kirche sollten immer Suchende nach der Wahrheit sein oder versuchen zu verstehen, was Gott heute von uns möchte. Ich glaube, es kann nicht darum gehen viele Menschen in die Kirche zu bringen, sondern die verbleibenden sollten wahrhaftig sein und so nach Außen wirken. Es gibt zu viele in der Kirche, die anderen helfen wollen oder missionieren, aber vergessen dabei sich selbst. Meiner Meinung nach, sollte es mehr um das eigene Christsein im Alltag gehen. Das ist anstrengend genug. Viel Leid wird in der Kirche leider nicht gesehen. Z. B. Kinder und Jugendliche, die spüren homosexuell zu sein, wachsen verängstigt und heimatllos in unserer Kirche auf und wenden sich oft schließlich vom Glauben ab. Zum Glück wendet sich aber Gott nicht von ihnen ab. Um auf dem Weg der Wahrheit zu bleiben, braucht es Diskussionen und Austausch mit Hilfe des Heiligen Geistes. Denn Gottes Wirken ist echt schwer zu verstehen, was es auch spannend macht.
S>ehr gut!
Danke.
Herzlichen Dank für Ihr Einmischen und Ihre Geist-reichen Gedanken zum Pfingstfest. Es gibt die Sünde gegen den Heiligen Geist – heutzutage oft verdrängt und vergessen, teilweise auch zu Recht, da ihr anscheinend nur die „einfachen“ Gläubigen verfallen können. Doch ist es nicht eine, wenn nicht sogar die Sünde gegen den Geist Gottes, sein Wehen, sein Rufen und Be-rufen in Geschlechterrollen, Hierarchien, Traditionen und Dogmen zu zwingen?!
Wer es ehrlich meint, wenn er singt „Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu!“ muss auch bereit sein, Altes zu lassen und Wege und Räume für Neues zu öffnen.
Komm Heiliger Geist
Danke!
Ja, für die Erneuerung ist die Rückkehr zu den Quellen, also der Bibel und Gott daselbst not-wendig, und der Blick auf die Menschen, ihre Fragen und Nöte. Aber die ganze Welt ist leider doch noch nicht Raum der Gegenwart des Geistes, auch sind nicht alle vom Geist begabt, da bin ich bei mir selber oft kritisch. Nein, es gibt tragischerweise auch viel Ungeist auf der Welt (und in der Kirche) und viel destruktive Energie bei uns Menschen.Darum brauchen wir alle tatsächlich immer mehr Pfingsten, die Verwandlung und Erfüllung durch den Geist Jesu. Kalle Lenz SAC, Berlin
Wichtige Aspekte könnten diesem Artikel noch hinzugefügt werden: Die gemeinsame Erinnerung, der dankende Vollzug gemeinsamen Brotbrechens ist und bleibt die Mitte christlichen Lebens. Deshalb muss dieser Tisch von Wort und Brot immer gedeckt bleiben, damit gläubiges Leben nicht verhungert. Dazu sind erneuerte Formen von Gottesdiensten notwendig, eine erneuerte Sprache und Gestalt der Eucharistiefeier, ein neues Miteinander aller Gläubigen im allgemeinen, gemeinsamen und im besonderen Priestertum. Hier wollen wir mit Hilfe des Hl. Geistes überlegen und erwägen, welche Formen sich entwickeln könnten, die auch ein ursprünglicheres Verständnis des Eucharistievorsitzes und der Hauskirche wieder aufleben lassen. Die Feier der Eucharistie muss an allen Orten, wo Gläubige sie brauchen, möglich werden. In diesem Zusammenhang sollten wir uns ernsthaft fragen, was uns der Geist in Bezug auf die Zulassung zum priesterlichen Dienst sagen möchte.