Einheit der Weltkirche

EINHEIT DER WELTKIRCHE: GLEICHZEITIGKEIT VERSCHIEDENER WEISEN DES CHRISTSEINS
Pallottinische Gedanken zum synodalen Weg – Sommer 2019

Besonders und doch alltäglich
Katholikinnen und Katholiken haben sich entschlossen, einen gemeinsamen Weg zu gehen (es haben die Bischöfe Deutschlands die Gemeinden zum Gespräch eingeladen) – eigentlich eine Selbstverständlichkeit, denn christliches Leben vollzieht sich immer in der Gemeinschaft des Gottesvolkes. Dazu gehört es, miteinander zu sprechen, zu beraten, gemeinsam zu handeln und sich Konflikten und Meinungsverschiedenheiten zu stellen. Ein solches Miteinander darf grundsätzlich nie beendet werden. Die Kirche wäre sonst keine Gemeinschaft mehr. Gerade das aber ist an vielen Orten und in verschiedenen Themenbereichen der katholischen Kirche immer wieder geschehen; ein mündiges Gottesvolk, das im Vertrauen auf seinen geistgewirkten Glaubenssinn mitdenkt, mitredet und gestaltet, war nicht gewollt. So ist es als besonderer Schritt zu werten, dass diese wesentliche Kommunikation wieder aufgenommen wird. Zu hoffen ist, dass sie alltäglich wird und bestehen bleibt – über zeitlich limitierte Gesprächsforen hinaus.

Ergebnisoffen, nicht ergebnislos
Ein synodaler Prozess ist keine Synode, bei der man in relativ kurzer Zeit konkrete Ergebnisse und Entscheidungen erwarten kann. Es ist ein mittelfristiger und niederschwelliger Ansatz, der Schritte ermöglicht. Mag er auch von übervorsichtigen Bischöfen gewählt worden sein, um die Erwartungen abzuschwächen oder auch kirchenrechtliche Vorgaben über Synoden zu umschiffen, so ist dieser Weg doch eine dynamische und kluge Vorgehensweise, um nachhaltige Veränderungen zu bewirken, die im breiteren Konsens zustande kommen. Ermöglichung, nicht Verhinderung muss das Motto sein.
Im synodalen Miteinander geht es um eine Kontinuität des Gesprächs und damit um eine Entwicklung. Jeder Dialog verändert die Beteiligten. Ohne die Bereitschaft, sich verändern zu lassen, gibt es kein ehrliches Gespräch. Eine zunehmend differenzierte Meinungsbildung wird stattfinden, wenn man sie zulässt. Sie wird neue Einsichten bringen und zu neuem Handeln führen und bleibt damit nicht ergebnislos. Sie benötigt allerdings Geduld und das grundsätzliche Ernstnehmen des anderen. Vorausgehende Forderungen, Beschuldigungen oder einseitige Themensetzungen würden verhindern, dass der Prozess des Gesprächs in Gang kommt. Auch wenn es darum geht, Verkrustungen und Missstände zu beseitigen, braucht es Offenheit für alle Seiten. Besser also viele kleinere Schritte, die in Summe Großes bewirken, als der Versuch, einen großen Schritt zu tun, der nicht gelingen kann – und nichts ist weitergegangen! Großmut ist angesagt, die Kirche hält es aus.

Konstruktives Streiten
Bereits seit dem Apostelkonzil gehören Meinungsvielfalt und Streitkultur zu den Kennzeichen der Glaubensgemeinschaft. Das Neue Testament berichtet von diesem Disput in der Apostelgeschichte. Damals haben sich mit der Entscheidung, nicht nur Juden, sondern auch Heiden in die Schar der Jüngerinnen und Jünger Jesu aufzunehmen, Paulus und seine Anhänger und damit die Reformer durchgesetzt. Um der Absicht Jesu und seiner Botschaft gerecht zu werden, bedurfte es einer Neuerung. In der Geschichte kam es immer wieder zu einem Ringen zwischen Reformern, Bewahrern und Vermittlern. Fundament der Auseinandersetzung muss das gegenseitige Vertrauen sein, dass alle Beteiligten Schwestern und Brüder im Glauben sind. Das ist dann die notwendige Vorentscheidung für ein Gespräch auf Augenhöhe und berechtigt zu der Annahme, dass alle Seiten grundsätzlich daran festhalten und darauf aufbauen wollen. Es darf das menschliche Band auch bei unterschiedlichen Positionen nicht abreißen. Derselbe Heilige Geist kann verschiedenen Menschen Unterschiedliches eingeben. Positives Streiten ist das Gegenteil von faulem Frieden. Solches Streiten sieht von Trennung und Spaltung oder ab und ist ein weiterführendes Element im Leben der Kirche. Also „Ja“ zu einer konstruktiven Streitkultur!

Vielfalt in der Weltkirche
Dass die Botschaft Jesu an verschiedenen Orten auf unterschiedliche Weise aufgenommen und gelebt wird, kennzeichnet die Kirche von Anfang an. Die eine Tradition wird in vielen verschiedenen Überlieferungssträngen und Weisen weitergegeben. Diese sind menschengemacht und verändern sich mit der Zeit immer wieder – aggiornamento, Verheutigung! Und sie sind in den verschiedenen Teilen der Welt unterschiedlich ausgeformt – Inkulturation! Deshalb gibt es in der weltweiten (= katholischen) Kirche immer die Gleichzeitigkeit von Verschiedenem. Entwicklungen und daraus resultierende Ergebnisse in der Ortskirche entsprechen der jeweiligen Lebenskultur vor Ort. Die Rücksichtnahme auf eine vermeintliche Einheitlichkeit der Weltkirche kann im synodalen Prozess zu einem grundlegenden Missverständnis kirchlicher Identität führen. Diese konstituiert sich als Gemeinschaft vor Ort rund um den Altar – die Ortskirche repräsentiert jeweils die eine weltweite Kirche. Somit kann Weltkirche kein Argument zur Verhinderung werden. Was immer vom Evangelium angenommen wird, es wird in der Weise des Annehmenden geschehen (quidqiuid recipitur in modo recipientis recipitur) – eine alte Einsicht, die Thomas von Aquin überliefert hat.

Experimente und Dringlichkeit
Viele Themen stehen an – zentral ist zweifellos die Versammlung der Gemeinde zu Dank und Brotbrechen. Ob es immer eine sakramentale Eucharistiefeier sein muss, ist zu diskutieren. Die meisten der zu behandelnden Punkte stehen mit dieser entscheidenden Frage in Verbindung. Die Eucharistiefeier muss verlässlich ermöglicht werden, sie ist Quelle und Höhepunkt des gemeindlichen Lebens. Dabei stellt sich die Frage, wie Frauen und Männer (auch im Raum der Liturgie) mehr Wertschätzung und Gerechtigkeit erfahren können, wie die Feier des Brotbrechens an vielen Orten aufrechterhalten werden kann. Der Anspruch wäre, offener, integrativer und partizipativer zu werden, ohne gleich alles Bisherige aufzugeben.
Schließlich muss man Wege einfach probieren. Vielleicht wird hier so schnell kein Konsens gelingen, auch Kompromisse befriedigen nur kurzfristig. Dann bietet es sich an, im konkreten Raum von Ortskirchen zu experimentieren. Das Experiment ist ein geistliches Geschehen, spätestens seit Ignatius von Loyola als Methode des spirituellen Suchens und Fortschreitens anerkannt. Nicht alle Themen sind gleich dringend und gleich wichtig. Allerdings wird auch über diese Gewichtung eine Meinungsvielfalt bestehen bleiben. Dann kommt es darauf an, gerade nicht „demokratisch“ (Mehrheit dominiert Minderheit, diese wird zur Opposition) vorzugehen, sondern auch Minderheitenmeinungen zu integrieren. Kirche darf grundsätzlich nicht ausschließen. Ohne Mut zum Experiment, wird keine Erfahrung zustande kommen; ohne Erfahrung keine Entscheidung. So können Erfahrungsberichte auch an den Papst weitergeleitet werden, um in weltkirchliche Themen eingebracht zu werden. Der Austausch zwischen verschiedenen Ortskirchen, von Diözese zu Diözese, von Land zu Land, von Region zu Region, muss ebenfalls erst noch Wege suchen, die möglichst viele einbeziehen.

P. Hans-Peter Becker SAC, Hersberg
p. Walter Klaus, Hersberg
P. Alexander Diensberg SAC, Vallendar
P. Reinhold Maise SAC, Konstanz
P. Siegfried Modenbach SAC, Dortmund
P. Michael Pfenning SAC, Friedberg
Dr. Brigitte Proksch UAC, Wien
P. Dr. Paul Rheinbay SAC, Vallendar
P. Dr. Werner Weicht SAC, Hersberg
P. Siegbert Buhleier SAC, Hersberg
P. Fritz Kretz SAC, Konstanz
P. Christian Stumpf SAC, Freising
Ursula Knoch UAC, Rheinbach
P. Roman Fries, Koblenz
P. Klaus Schäfer SAC, Hofstetten
P. Wilhelm Landwehr SAC, Bad Zwischenahn
P. Alois Hofmann SAC, Konstanz
P. Ferdinand Thome SAC, Freising
P. Norbert Lauinger SAC, Hofstetten
Dr. Alois Wittmann UAC, Bruck
Dr. Roswitha Wittmann UAC, Bruck
Alexander Schweda UAC, Vaihingen an der Enz

Über den Autor/ die Autorin

Der Unterstützerkreis

Bei den Unterstützerinnen und Unterstützern dieses Diskussionsbeitrages, handelt es sich um Schwestern und Brüder der pallottinischen Unio und des pallottinischen Freundeskreises.