Versöhnte Menschen sind kerngesund
Wie das? Weil allein der innere Friede, die Versöhnung mit sich und der Welt, mit Gott und dem Feind, den Kern der Seele darstellt. Es ist eine zentrale Lehre des Christentums.
Jesus war stets darauf bedacht, den kranken Menschen ganzheitlich zu heilen, also an Leib, Seele und Geist. Wenn er gebeten wurde, Krankheiten zu heilen, dann tat er dies im doppelten Sinn: Er sprach die Vergebung der Sünden aus und machte so den Weg frei für die Heilung des Körpers.
Wir hingegen denken immer noch gespalten: für den Körper ist der Arzt zuständig, für die eine Seele der Psychotherapeut, für die andere der Priester und für den Verstand der Psychiater. Und so arbeiten alle Fachkräfte sauber getrennt voneinander, ohne gegenseitige Absprache und fächerübergreifendes Handeln. Der Patient quält sich, zahlt sich dusselig, bleibt auf der Strecke. Und sollte er körperlich gesund werden, mag ja die Schale fit sein, was aber ist mit dem Kern?
Was nützt eine gesunde Hülle, wenn die Innereien gären!?
Solarien, Beautyfarmen, Fitness-Studios und Wellnesspaläste gibt es zuhauf. Teure Schönheitsoperationen und erfolglose Schlankmacherdiäten nicht minder. Sind die Menschen glücklicher und zufriedener geworden? Was ist, wenn der Body völlig verkorkst und das Aussehen gänzlich missglückt ist? Was macht das mit der Seele?
Mit Innereien meine ich natürlich nicht die Organe, sondern die Empfindungen, Gefühle, Bedürfnisse, Motive und vor allem die Selbstakzeptanz. Mag ich mich erst, wenn die Nase gerade, der Po wohlgeformt und der Tumor geschmolzen ist? Wie schaffen es die vielen behinderten und unheilbar kranken Menschen, die weniger schönen und viel zu klein geratenen Leute, ein lebenswertes und zufriedenes Dasein zu leben?
Was meint eigentlich Versöhnung?
Wir alle wissen aus Erfahrung, wie sehr eine gekränkte Seele leiden kann. Wie schlafraubend Neid und Missgunst sind; wie krankmachend ein erlittenes Unrecht und wie zerstörend die Selbstablehnung ist. Der schönste, erfolgreichste und gesündeste Mensch kann nicht in Frieden leben, wenn er Rache hegt, seinen Maßlosigkeiten nachläuft. Das Leiden am Nichterreichten ist für ihn ein Martyrium, das Konkurrenzdenken eine Qual. Mit anderen Worten: Dieser Mensch ist nicht mit sich im Einklang; er mag sich nicht, er mag auch die anderen nicht. Er ist unversöhnt. Und natürlich geht da auch nichts zusammen mit Gott, falls er eine Rolle in seinem Leben spielt.
Hilfreich sind Dankbarkeit und Genügsamkeit
Die zufriedensten Menschen, die ich kenne, sind allesamt bescheiden. Viele leiden an Krankheiten und Gebrechen; dennoch wirft sie das nicht aus der Bahn; denn sie haben ihren Glauben an Gott, ihre Gewissheit auf bessere Zeiten. Sie sind dankbar und sehen die Erfüllung ihres Lebens auch im Verzicht zugunsten ihrer Kinder oder Partner oder was auch immer. Die Aufopferung für andere sowie ihre Empathie für die Not der Welt macht sie demütiger.
Wem es gelingt, auf Rache zu verzichten, dem Gegner die Hand zu reichen und sich in Frieden mit den Widerwärtigkeiten des Lebens zu arrangieren, hat gute Chancen, lang und zufrieden zu leben. Untersuchungen haben dies weltweit bestätigt. Klar doch: Wer nachtragend ist, schleppt viel.
Wie erreiche ich diesen inneren Frieden?
Hören Sie auf, sich mit anderen zu vergleichen und sie zu beneiden. Lassen Sie Ihre Bemühungen um Rache los! Betrachten Sie den kränkenden Nächsten als gekränkten Nächsten, der ebenso leidet wie Sie. Die jüdische Mutter, die dem reuigen palästinensischen Mörder ihres Sohnes die Hand reichte, machte es richtig. Und Papst Johannes Paul II., der seinen Feind Ali Acga im Gefängnis umarmte, hatte inneren Frieden.
Fangen Sie an, Ihre Vorzüge und Gaben zu sehen; betrachten Sie Krisen als Chancen und verzeihen Sie sich und dem Nächsten, wenn mal wieder was schief gelaufen ist. Jeden Tag. Alle brauchen Liebe, besonders jene, die sie nicht verdient haben. Denn Liebe wird nicht verdient, sie wird verschenkt. Basta.
Über den Autor/ die Autorin
Pater Dr. Jörg Müller SAC
Pater Dr. Jörg Müller SAC stammt von Bernkastel-Kues an der Mosel (geb 1943). Er durchlitt die Schulzeit, ist zweimal sitzengeblieben, und hat sich dann in den Studien der Theologie , Philosophie und Pädagogik (Trier, Innsbruck), Psychologie und Pathologie (Salzburg) davon erholt. Er war Lehrer an verschiedenen Schulen in Trier, Salzburg, Tamsweg und Saarburg, dann Psychotherapeut mit eigener Praxis, bis ihn der Frust packte und er in Tunesien eine T-Shirt-Fabrik baute. Vom Partner betrogen, kehrte er zurück nach Deutschland und trat in die Gemeinschaft der Pallottiner ein. Das war 1989 am Tag des Mauerfalls. Im Pallotti Haus Freising gründete er die Heilende Gemeinschaft, eine stationäre, therapeutische Einrichtung für Menschen in seelischer Not. Inzwischen hat er über 60 Bücher geschrieben und 4 Lied-Cassetten herausgebracht; er ist unter anderem auch als Kabarettist unterwegs.
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