Arzt vor Klinik

Organspender sind Lebensretter

Ich bin Klinikseelsorger. Wir Klinikseelsorger stellen uns ganz bewusst dem Leid und begleiten die Patienten und ihre Angehörigen. Mit das Schwerste ist, wenn Eltern am Sterbebett ihres Kindes stehen. Wie oft hören wir dann Worte wie, „Warum kann nicht ich für mein Kind sterben?“ Wie gerne wären Eltern an deren Stelle getreten.

Bei der Organspende spenden bei der Lebendspende rund ein Drittel Eltern eine Niere an ihr Kind. Eltern sind unter den Lebendspendern die größte Personengruppe. Ich weiß von einer Mutter, die ihrem erwachsenen Sohn eine Niere gespendet hat. Diese hat viele Jahre funktioniert. Als der Sohn wieder an die Dialyse musste, wollte sie ihre zweite Niere spenden. Sie wollte ihrem Sohn die Dialyse ersparen und selbst diese auf sich nehmen – doch das ließ man nicht zu.

Organspende rettet Leben. Da ist Fakt, auch wenn man es öffentlich so nicht sagen darf, weil dies nicht mehr ergebnisoffen ist. Organspender sind somit Lebensretter. Auch das ist Fakt. Aus einem Organspender werden durchschnittlich 3 Organe entnommen. Damit rettet ein Organspender durchschnittlich 3 Menschen das Leben.

Doch die Organspende in Deutschland schrumpft. Bis in den Bundestag hinein wird von dem Schreckgespenst des „Vertrauensverlusts“ gesprochen, ausgelöst durch die Skandale im Jahr 2012. Doch die Zahlen der DSO-Jahresberichte belegen das Gegenteil: In den Jahren 2006 bis 2012 lag nach der Feststellung des Hirntodes die Zustimmung zur Organspende zwischen 64,3 und 69,1%. Im Jahr darauf sank sie auf 63,9% ab. In den Jahren 2014 bis 2019 lag sie bei 67,4 bis 75,9%. Die Zustimmung liegt damit um rund 5% höher, als vor den Skandalen. Vertrauensverlust sähe anders aus. Ich denke zum Thema „Vertauensverlust“ an den Spruch, den ich 2021 im Urlaub kennenlernte: „Alle haben eine Meinung, aber nur wenige eine Ahnung.“

Es widersprechen aktuell 25-30% der Menschen der Organspende. Hiervon vermuten oder entscheiden rund 2/3 der Hinterbliebenen den Widerspruch. Dies entspricht nicht den Zahlen aus den Umfragen, wonach über 80% der Bürger einer Organspende zustimmen. Da klafft eine Lücke von 5-10%.

Zuweilen werde ich gefragt, was denn die Kirche zum Thema Organspende sagt. Bereits 1990 brachten der Rat der EKD und die DBK die gemeinsame Schrift „Organtransplantationen“ heraus. Der Schlusssatz lautet: „Aus christlicher Sicht ist die Bereitschaft zur Organspende nach dem Tod ein Zeichen der Nächstenliebe und Solidarisierung mit Kranken und Behinderten.“

2018 brachten sie die gemeinsame Erklärung „Organspende in Deutschland“ heraus. Darin heißt es: „Daher stehen die Kirchen der Organspende ausdrücklich positiv gegenüber. Die Organspende ist für Christen eine Form praktizierter Nächstenliebe, auch über den Tod hinaus.“ 2020 veröffentlichten die beiden großen Kirchen eine gemeinsame Stellungnahme, in der es heißt: „Die Organspende, die für viele Menschen die einzige Möglichkeit auf Lebensrettung ist, verdient aus christlicher Perspektive höchste Anerkennung als Akt der Nächstenliebe und Solidarität über den Tod hinaus.“

Wenn mit dem Hirntod das eigene Leben zu Ende ist, macht es Sinn, mit einem „Ja“ zur Organspende den Organpatienten neues Leben zu schenken. Es ist nicht nur ein Leben des Überlebens, sondern ein Leben in Fülle, so wie es Jesus uns zugesagt hat. Mit einem „Ja“ zu Organspende werden daher diese Jesuworte erfahrbar: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“

Bild: Liubomir Adobe Stock (Arzt vor Klinik)

Über den Autor/ die Autorin

Pater Klaus Schäfer SAC

Pater Klaus Schäfer SAC arbeitet seit vielen Jahren als Klinikseelsorger, derzeit in Regensburg. Er machte sich mit seinem Einsatz für Eltern - nach Tot- und Fehlgeburt - bundesweit einen Namen. Seit 2014 bemüht er sich um eine sachlich korrekte Aufklärung zu Hirntod und Organspende. Hierzu schuf er im Januar 2014 die Internetseite www.organspende-wiki.de und veröffentlichte zahlreiche Bücher und Artikel.