Auf Wesentliches beschränken?

Verpassen wir was? Nein

Corona hält die Welt an. Aber die Welt dreht sich weiter. Vor allem im Internet. Dank Instagram und Twitter durften wir wichtige Vorkommnisse erfahren:
Heidi Klum feierte den Mittelschulabschluss ihres Sohnes. Sophia Tomalla genießt die Sonne im Zweiteiler. Und Beatrice Egli hat ein neues Outfit.

— Ach Sie kennen diese Damen nicht? Oder das interessiert Sie nicht? Dann gehören Sie zu jener Minderheit, die ihre Zeit nicht vergeudet mit Firlefanz, Schnickschnack und Co.
Gratulation.
Und trotzdem können wir oft nicht ausweichen. Der Müll muss entsorgt werden. Entweder mental oder mit der Löschtaste. Aber Müll dieser Art ist nicht recycelbar. Das Internet erstickt daran. Es soll die Neugier der unmündigen und glücklosen Erwachsenen befriedigen; nur der Konsum dieser qualligen unsäglich dummen Klatschspalten macht weder glücklich noch mündig.

Da könnte man ja alles noch in stoischer Gelassenheit ignorieren, wenn da nicht noch die absolut nervigen Spammails wären, die täglich, ja stündlich unsere Mailbox zumüllen:

Drei Schritte nur, und Sie haben den besten Sex, den es je gab.
Gratulation: Sie haben gewonnen.
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Zufriedenheit ist nur zu erreichen, wenn wir uns auf Wesentliches beschränken, also auch verzichten können auf Müll GmbH, auf überhöhte Ansprüche, ständige Vergleiche mit Narzissten und Psychopathen. Wir versäumen nichts. Wir brauchen kein Heer von anonymen Followern bei Facebook, um uns ein Gefühl von Wichtigkeit zu geben. Die Mehrheit der jungen Menschen, die hier mitschwimmt, gibt zu, keineswegs glücklich zu sein. Sie empfindet sogar die Einsamkeit viel schmerzlicher, kann aber nicht lassen von der 24-Stunden-Präsenz im iPhone, weil sie Angst hat, etwas zu verpassen. Und weil sie Angst hat, nicht mehr dabei zu sein, ausgeschlossen zu sein. Dieses trügerische Gefühl lügt.
Eine Schulklasse hat einen Monat lang auf das Handy verzichtet. Und siehe da: bei vielen hat sich nach anfänglichen Entzugserscheinungen der Stress verringert; die innere Ruhe kam wieder, ein längst vergessenes Gefühl. Es geht doch.

Bild: 9parusnikov Adobe Stock

Über den Autor/ die Autorin

Pater Dr. Jörg Müller SAC

Pater Dr. Jörg Müller SAC stammt von Bernkastel-Kues an der Mosel (geb 1943). Er durchlitt die Schulzeit, ist zweimal sitzengeblieben, und hat sich dann in den Studien der Theologie , Philosophie und Pädagogik (Trier, Innsbruck), Psychologie und Pathologie (Salzburg) davon erholt. Er war Lehrer an verschiedenen Schulen in Trier, Salzburg, Tamsweg und Saarburg, dann Psychotherapeut mit eigener Praxis, bis ihn der Frust packte und er in Tunesien eine T-Shirt-Fabrik baute. Vom Partner betrogen,  kehrte er zurück nach Deutschland und trat in die Gemeinschaft der Pallottiner  ein. Das war 1989 am Tag des Mauerfalls. Im Pallotti Haus Freising gründete er die Heilende Gemeinschaft, eine stationäre, therapeutische Einrichtung für Menschen in seelischer Not. Inzwischen hat er über 60 Bücher geschrieben und 4 Lied-Cassetten herausgebracht; er ist unter anderem auch als Kabarettist  unterwegs.