Synodaler Weg: Einen Schritt vor, einen halben Schritt zurück
Die fünfte und letzte Vollversammlung des Synodalen Weges ist zu Ende gegangen – und da konnte man noch einmal ziemlich realistisch erleben, welches Bild die katholische Kirche in Deutschland abgibt. Einerseits scheint sie im Wachkoma zu liegen, ist sie doch noch längst nicht tot; andererseits ist sie schlichtweg in sich verpanzert und kaum reformierbar. Woran liegt das?
Man konnte nur mit dem Kopf schütteln, wenn man erlebt hat, wie Bischöfe und Laien sich bei der letzten Synodalversammlung in Frankfurt gegenseitig „Erpressung“ vorwarfen. Sicher war das auch ein Zeichen dafür, dass man es in der katholischen Kirche einfach nicht gewohnt ist, sich auf Augenhöhe zu begegnen – die nicht kongruenten Machtverhältnisse von Laien und Bischöfen lassen das offensichtlich nicht zu. In einen echten Dialog zu kommen und Kompromisse zu schließen, für die jede Seite der jeweils anderen entgegenkommen muss, ist nicht eingeübt.
Aber es ist schön und darüber darf man sich auch freuen: der Synodale Weg hat durchaus einige Beschlüsse verabschiedet, die in die richtige Richtung weisen. So soll die Predigt von Laien im Gottesdienst in Zukunft möglich sein, homosexuelle Paare können gesegnet werden und die Vielfalt geschlechtlicher Identitäten wird endlich anerkannt – Schritte, die längst überfällig sind. Denn dahinter steht die Botschaft der Kirche, dass alle Menschen von Gott geliebt und gewollt sind, dass alle die gleiche Würde und den gleichen Wert haben.
Man könnte morgen loslegen
Aber bleiben wir nochmal einen Moment beim Beschluss zur Segnung homosexueller Partnerschaften: Vier bayrische Bischöfe werden diesen Beschluss wohl nicht umsetzen. Sie haben mit Nein gestimmt. Zwei Erzbischöfe haben sich zu diesem Punkt enthalten. Wie geht es dort für die betroffenen Menschen weiter? Dazu kommt, dass der angekündigte Prozess, in dem bis 2026 (!) erst Formulare für Segensfeiern erarbeitet werden sollen, eine unnötige Verzögerungstaktik ist. Schon lange gibt es sehr gründlich erarbeitete Vorlagen und eine jahrelange Praxis. Mit der Umsetzung in den Bistümern könnte man morgen loslegen, wenn man es denn wollte.
Leider kam in Frankfurt ein Antrag gar nicht mehr zur Abstimmung – und das wäre wichtig gewesen: eine freiwillige Selbstbindung der Bischöfe an die Gremien, von denen sie beraten werden. Somit ist der Ausstieg aus dem alleinherrschenden Amt in der katholischen Kirche leider gescheitert. Denn bisher ist für das Bischofsamt weder eine Teilung der Macht noch irgendeine Kontrolle vorgesehen.
Gehorsam und Traditionstreue?
In den vergangenen Wochen und Monaten konnte man beobachten: Der Papst kann zwar über Synodalität sprechen, aber sobald eine Ortskirche davon auch nur halbwegs Gebrauch macht, wird sie von der römischen Kurie zurückgepfiffen. Viele Laien in Deutschland sind der Meinung, die sich weigernden Bischöfe wollten vor allem ihre Macht nicht verlieren und deshalb weigerten sie sich, sie mit anderen zu teilen. Dem ist aber nicht so. Sie fühlen sich allein ihrem Gewissen gegenüber verantwortlich – und damit den Maßstäben einer Kirche, die zentralistisch aufgestellt ist. Der Gehorsam gegenüber dem Papst und eine sehr seltsame Definition von Traditionstreue lässt ihnen subjektiv keine andere Wahl.
Aufs Ganze gesehen ist es wohl so: Die Synodalversammlung ist einen guten Schritt nach vorne gegangen, gleichzeitig aber einen halben Schritt zurück. Leider hat sie es nicht hinbekommen, alle Synodalen am gemeinsamen Auftrag verbindlich zu beteiligen.
Alle Macht beim klerikalen Amt
Und was die Polemik von Papst Franziskus gegen sogenannte „klerikalisierte Laien“ und seine Abwehr gegen „demokratische Verfahren“ in der Kirche angeht: mit solchen Worten verteidigt er das zentralistisch verstandene Amt in der Kirche. Auch das ist nichts anderes als Klerikalismus. Außerdem nimmt man in keiner Weise irgendwie ernst, dass es Laien – vor allem auch Frauen – geben könnte, die zum Diakoninnen- oder Priesterinnenamt berufen sind. Deren Berufung wird noch nicht einmal geprüft.
Wenn die Zugangsvoraussetzungen zu Dienstämtern in der Kirche geöffnet und gleichzeitig synodale Strukturen geschaffen würden, die es den Laien ermöglichten, mitzuentscheiden – dann wäre die Kritik von Papst Franziskus glaubwürdig. Solange aber alle Macht beim klerikalen Amt verbleibt, stabilisiert er mit solchen Aussagen den Klerikalismus, auch wenn er das eigentlich nicht will.
Bild: Synodaler Weg / Maximilian von Lachner
Über den Autor/ die Autorin
Pater Siegfried Modenbach SAC
- Jahrgang 1962
- Studium der Theologie in Fulda und Rom
- Studium der Sozialpädagogik in Fulda
- 1990 Noviziat der Pallottiner
- 1992-2002 Leiter des Jugendhofes in Olpe
- 1995 Priesterweihe
- 2002-2007 Regens in Vallendar
- 2007-2019 Leiter des Katholischen Forum in Dortmund
- 2010-2020 Vorstandsmitglied der Aidshilfe Dortmund
- Seit 2019 Leitung des Geistlichen Zentrums Kohlhagen
Eine sehr kluge Einschätzung von Pater Modenbach: „Aufs Ganze gesehen ist es wohl so: Die Synodalversammlung ist einen guten Schritt nach vorne gegangen, gleichzeitig aber einen halben Schritt zurück.“ Ich finde übrigens aber, dass Papst Franziskus Recht hat: Es gibt klerikalisierte Laien, die die Aura des Heiligen mit der Aura der Macht verbinden und für sich beides in Anspruch nehmen. Beim synodalen Weg hat diese Erscheinungsform aber fast keine Rolle gespielt. Das was manche Bischöfe dort ausgespielt haben, ist noch einmal etwas anderes als Klerikalismus. Vielleicht ist es schlicht die Unfähigkeit, sich weiterzuentwickeln.
Klerikalisierte Laien?
„Der Geistliche, der zum Kleriker wird, hat einen falschen Weg eingeschlagen“, mahnte Papst Franziskus. Was sind demnach „klerikalisierte Laien“? Möglicherweise: Laien, die sich wie Kleriker verhalten und den Klerikalismus von Geistlichen unterstützen.
Der Klerikalismus sei eine „perverse Versuchung“ und lasse an einen Gott denken, „der nur zu einigen wenigen spricht, während die anderen nur zuhören und ausführen müssen“. Papst Franziskus mahnte die Kurie in diesem Zusammenhang zu Demut und einem „Stil der Synodalität“. Also sind „klerikalisierte Laien“ Menschen, die so tun, als spreche Gott nur zu ihnen, aber nicht zu vermeintlich verirrten Schafen des Synodalen Weges? Eine Ohrfeige für die erzkonservativen Kreise? Dann wäre die Sorge, an der Formulierung von Papst Franziskus, nicht angemessen!
Die Zitate von Franziskus, die Du anführst, stammen aus unterschiedlichen Zusammenhängen und sind zu verschiedenen Zeiten gemacht worden. Das erste Zitat stammt vom 29. Juni 2022, aus einer Predigt im Petersdom und richtet sich demzufolge an das gesamte gläubige Volk; das zweite Zitat „perverse Versuchung … [Gott] …, der nur zu einigen wenigen spricht …“ stammt aus seiner Ansprache an die Kurie, die er kurz vor Weihnachten 2021 gehalten hat und sie richtet sich vor allem an die Kardinäle und die hohen Würdenträger der Kurie. Das muss man bei der Bewertung der Zitate berücksichtigen.
Dazu kommt, dass Papst Franziskus am 18. Februar 2023 vor den Laienkommissionen der Bischofskonferenzen sehr positiv von den Laien gesprochen hat. So sagte er z. B. wörtlich: „Die Betonung sollte auf Einheit und nicht auf Trennung liegen. Der Laie darf nicht als ‚nicht-klerikal‘ oder ‚nicht-geweiht‘ betrachtet werden, sondern als Getaufter, als Mitglied des heiligen Volkes Gottes, als das Sakrament, das alle Türen öffnet. Das Wort ‚Laie“ kommt im Neuen Testament nicht vor, sondern es wird von ‚Gläubigen‘, ‚Jüngern‘, ‚Brüdern‘, ‚Heiligen‘ gesprochen, Begriffe, die auf alle zutreffen: auf die gläubigen Laien und die geweihten Amtsträger.
Insofern kann ich die Schlussfolgerung, die Du ziehst: „Also sind ‚klerikalisierte Laien‘ Menschen, die so tun, als spreche Gott nur zu ihnen, aber nicht zu vermeintlich verirrten Schafen des Synodalen Weges`? Eine Ohrfeige für die erzkonservativen Kreise?“, so nicht ziehen.
Wenn der Papst von „klerikalisierten Laien“ spricht, meint er, dass es Menschen geben könnte, die nach einem geistlichen Amt streben würden und die sich dann in diesem Amt für etwas Besseres halten könnten, weil sie dadurch Anteil an der Macht hätten (darin steckt wiederum die Parallele zur Ansprache an die Kurie). Das habe ich bewusst alles im Konjunktiv formuliert. Denn: Gibt es wirklich so viele Laien, die das tun? Die also nur dieses Amt anstreben, weil sie sich für etwas Besseres halten und weil sie gerne Anteil an der „Macht der Kleriker“ haben wollen? Oder gibt es nicht wirklich auch Laien (unter ihnen z. B. nicht wenige Frauen!), die sich tatsächlich zu einem Dienstamt in der Kirche berufen fühlen? Das hat in meinen Augen noch lange nichts mit Klerikalismus zu tun. Klerikalismus wird es erst dann, wenn sie sich deshalb für etwas Besseres halten oder wenn sie dieses Amt aus reiner Machtgier anstreben würden.
Der Papst erkennt nach meinem Dafürhalten nicht, dass es schon darum gehen muss, dass Laien auch mitentscheiden können. Die Frage ist doch: Wie kommt man zu guten Entscheidungen im Miteinander synodaler Prozesse? Da sind demokratische Verfahren nicht das Schlechteste – es sei denn, es geht doch nur um den Erhalt der zentralistisch-hierarchischen Struktur der Kirche.