Ein Zimmer nur für mich allein

Ein Zimmer
– nur für mich allein

1929 erschien in London das Buch »A Room of One’s Own« – »Ein Zimmer für sich allein« von Virginia Woolf. Als Schriftstellerin ihrer Zeit erlebt sie, wie gefährdet ihre Begabung ist, wenn es keinen geschützten Ort zum Denken und Schreiben und Für-Sich-Sein gibt. Sie schaut sich unter den Schriftstellerinnen ihrer Zeit um und sieht, dass es eher der Küchentisch ist, an dem gedichtet werden muss – nichts kann liegenbleiben …

Ein Luxusproblem? Ja, angesichts der Lebenssituation von Millionen Menschen in Slums, prekären Wohngebieten, in Flüchtlingslagern klingt es vermessen, ein Zimmer – »nur« zum Denken und Schreiben – einzuklagen. Weltweit geht es für viele – vielleicht – um eine Ecke für sich, einen festen Schlafplatz, …

Die Sehnsucht nach einem persönlichen Lebens- und Rückzugsort wird tief begraben unter der Last und Aufgabe zu überleben und das Überleben zu sichern. Es ist eine menschliche Katastrophe, wenn nicht ausreichend Platz zum Leben und Arbeiten und Lernen zur Verfügung steht: Wie sollen Lebensperspektiven entstehen? Wie können Vertrauen und Hoffnung ins Leben wachsen? Wie soll sich ohne die Möglichkeit von Rückzug und Zuwendung, Nähe und Distanz eine eigen-willige Persönlichkeit entwickeln?

Eine Frau geht ihren eigenen Weg

Katharina von Siena, italienische Heilige und Kirchenlehrerin, Mitglied der dominikanischen Ordensfamilie, ging in ihrer Zeit einen eigenen Weg. Bedrängt von ihrer Familie, zu heiraten und in ein traditionelles Frauenleben hineinzugehen, zieht sie sich zu Gebet und Meditation in ein kleines Zimmer im Haus der Familie zurück. Als ihr dieses genommen wird, entdeckt sie für sich die »innere Zelle“: einen Ort in ihr, der sie überall hin begleitete, den sie jederzeit betreten konnte, in dem sie immer verweilen konnte, um dann wieder hinauszugehen, um zu verkünden, zu mahnen, zu sorgen.

Es wäre zynisch, den Menschen in den provisorischen Zeltstädten und den dichten Randsiedlungen großer Städte weltweit das Bild der inneren Zelle anzubieten. Es sind drei berechtigte Bedürfnisse aus verschiedenen Zeiten – Platz zum Leben mit Gott, ein Raum zum Denken und Schreiben und ganz existentiell Platz, um überhaupt leben zu können. Alle drei für alle! – Reich Gottes – der »Raum«, von dem Jesus spricht.

 

Bild: Halfpoint Adobe Stock

Über den Autor/ die Autorin

Claudia Nietsch-Ochs

ist Theologin, Künstlerin und Autorin. Sie stammt aus Augsburg und arbeitet heute wieder in der Nachbarschaft ihrer Heimatstadt. Seit 2004 ist sie als Bildungsreferentin im Exerzitienhaus St. Paulus in Leitershofen tätig.

Ihre Linoldrucke und Ausstellungen sind hauptsächlich im süddeutschen Raum zu bewundern. Darüber hinaus illustriert sie Texte und verfasst Bücher. Seit vielen Jahren schreibt sie auch für "das zeichen", die Monatszeitschrift der Pallottiner. Claudia Nietsch-Ochs ist verheiratet und hat zwei Söhne. Ehrenamtlich engagierte sie sich bis 2013 als Geistliche Beirätin des KDFB auf Bundesebene, inzwischen vor Ort im Zweigverein Merching.