Gedenktag von St. Martin

Wie einst St. Martin: "Miteinander teilen!"
- So ernst dürfen Sie das natürlich nicht nehmen

Ein Lichtermeer zu Martins Ehr – Rabimmel, Rabammel, Rabumm! In dieser Woche werden sie coronabedingt vermutlich nicht durch die Straßen ziehen. Und wir werden die Martins-Umzüge vermissen. Vorne weg der Heilige Martin, gefolgt von laternentragenden Kindergartenkindern und ihren Eltern. Anschließend wurden bei uns traditionell Lebkuchen geteilt und es gab Punsch. Meine Kinder sind heute schon zu alt. Schade! Es ist ein schöner Brauch. Genauso wie der „Weckmann“, den mir eine Freundin aus dem Rheinischen jedes Jahr bäckt. Auch hier steht das zeremonielle Teilen im Mittelpunkt. Wirklich schön, das ist herzerwärmend!

Aber mal nüchtern betrachtet: Ernst darf man das Ganze natürlich nicht nehmen. Es handelt sich lediglich um einen schönen Brauch. Stellen Sie sich das einmal vor: Ich gehe durch die Fußgängerzone, zerreiße meine Daunenjacke, die Federn werden vom Wind umhergewirbelt, und der am Boden sitzende Obdachlose zeigt mir einen Vogel! Das mit dem Teilen ist natürlich nur eine pädagogische Fabel für den Religions- oder Ethikunterricht.

Sie glauben, dass man das im übertragenen Sinne verstehen muss? Nein, so ernst dürfen Sie das nicht nehmen. Was würde passieren, wenn wir alle unser halbes Vermögen mit den Armen teilen würden. Also nicht nur der Kreis der Superreichen um Bill Gates, denen bleibt beim Halbieren immer noch unglaublich viel. Sehen Sie! Halbe Autos können nicht fahren und in halbe Häuser regnet es hinein. Das kann von Jesus gar nicht so gemeint gewesen sein.

In seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ warnt Papst Franziskus vor der immer größer werdenden Schere zwischen Arm und Reich. Er beklagt: „Diese Wirtschaft tötet.“ Menschen dürfen nicht ausgegrenzt und wie Müll behandelt werden. Es reicht nicht, „auf die blinden Kräfte und die unsichtbare Hand des Marktes zu vertrauen“, stattdessen müssen wir die Wirtschaft gerechter machen – also teilen. In seiner Enzyklika „Laudato Si“ fordert er in seiner Sorge um das gemeinsame Haus, unsere Erde, alle Menschen guten Willens auf, die Erde zu schützen und die Ressourcen der Erde gerecht zu teilen.

Aber mal nüchtern betrachtet: Unser Papst meint das nicht so. Es gibt schließlich internationale Handelsabkommen und ökonomische Notwendigkeiten, damit unsere Weltwirtschaft funktioniert. Würden wir die Ressourcen der Erde gerecht auf die Köpfe verteilen, würde Europa nicht gut dabei wegkommen. Wir benötigen die Anbaugebiete im Regenwald, um Futter für unsere Tiere anzubauen. Außerdem: Ohne das bewährte Leistungssystem würde bald niemand mehr arbeiten, es braucht erfahrungsgemäß Anreize, damit die Arbeitswelt funktioniert. Das kann also von Papst Franziskus nicht so gemeint gewesen sein.

„Wenn es wahr ist, das Gott die Liebe ist, dann gibt es keinen anderen Weg, um ihn, den unsichtbaren Gott, sichtbar zu machen, als durch lebendige Taten der Liebe“ sagte einst der heilige Vinzenz Pallotti. Aber mal nüchtern betrachtet: Das kann von Vinzenz Pallotti nicht so gemeint gewesen sein.

Man kann Gott gar nicht „sichtbar“ machen, das würde ja an Blasphemie grenzen. Und mit „lebendigen Taten der Liebe“ meinte der römische Geistliche bestimmt die Sonntagskollekte. Also die Kollekte der 10,2 Prozent katholischen und 3,6 Prozent evangelischen Kirchenmitglieder, die einen Sonntagsgottesdienst besuchen.

Gibt es eigentlich Menschen, die Jesus, den Papst oder Pallotti wirklich ernst nehmen? Ein befreundeter Priester lebt nach dem Motto: Teilen muss weh tun! Er spendet regelmäßig von seinem Priester-Einkommen so viel, dass es für ihn persönlich finanziell spürbar ist. Und ins Missionssekretariat der Pallottiner kommen hin und wieder ältere Menschen, die regelmäßig einen nicht verbrauchten Rentenanteil an bestimmte Missionsprojekte senden lassen, weil sie „jetzt im Alter selbst nicht mehr so viel brauchen“. Aber vielleicht muss man gar nicht so weit gehen: Meine Mutter spendete über viele Jahre hinweg sogar einen Großteil ihrer Lebenszeit für ihre Enkelkinder. Als sie von einer Freundin darauf angesprochen wurde, dass sie sich nicht ausnützen lassen soll sagte sie: „Jetzt brauchen mich meine Enkelkinder noch, später gehen Sie ihre eigenen Wege, dann habe ich wieder Zeit für mich!“

Vielleicht müssen wir nur genau hinschauen. Manchmal sind es eben nicht die schillernden Persönlichkeiten, die mit dem Teilen ernst machen!

Foto: mpix-foto adobe stock

Über den Autor/ die Autorin

Josef Eberhard

Josef Eberhard lebt mit seiner Familie im Landkreis Augsburg. Er ist Diplom-Betriebswirt, Diplom-Pädagoge und Fundraiser. Für die Pallottiner arbeitet er als Referent für die Öffentlichkeitsarbeit und kümmert sich beispielsweise um Internetauftritte und Social Media. Seine kirchliche Prägung stammt aus der Jugendarbeit.