Ausgebucht, und jetzt?

Zu. Wieder einmal. Die Kirchentür ist geschlossen. Der Gottesdienst hat begonnen. Wer nicht angemeldet ist, bleibt draußen. Natürlich. Der Verstand sagt: „So ist es in Corona-Zeiten.“ Auch an Fronleichnam wie heute. Das Gefühl sagt: „Die wollen mich schon wieder nicht. Ich muss draußen bleiben.“ Es ist kein schönes Gefühl. Es macht etwas mit mir. Ich kann da gar nichts dagegen tun.

Mir kommt eine Szene in den Kopf, die mir neulich jemand erzählt hat: Ein Mann hat eben seine Frau ins Krankenhaus gebracht. Etwas durcheinander und mit schwerem Herzen sucht er Ruhe. Er sieht eine Kirche und will hineingehen, Ruhe finden, im besten Fall sogar einen Gottesdienst mitfeiern, mitbeten. Aber die Tür ist zu. Und es sitzt ein Kirchen-Mann mit Mundschutz am Eingang und fragt, ob er angemeldet sei. „Tut mir leid, wir sind ausgebucht“, sagt er, als er die Anmeldung verneint. Ja, ausgebucht. Ein schönes Gefühl für den Veranstalter. Endlich mal wieder ausgebucht. Durch Verknappung der Plätze! Drinnen sitzen ja weniger Leute als vor Corona. Und diejenigen, die von der Straße kommen wollten, haben keinen Platz gebucht. Schade. Sind solche Szenen abwegig? Nein, sie finden statt. Unvermeidlich?

Wenn es sein muss, durchs Dach

Wie war das noch vor 2000 Jahren? Als Jesus in einem Haus sitzt, das völlig überfüllt ist, da schnappen sich ein paar Männer ihren Freund, hieven ihn samt Bahre aufs Dach des Hauses und lassen ihn an Seilen hinab zum Meister. Oder die Frau mit dem Blutfuß, die sich in der Menge hinter Jesus her drängelt und ihn einfach anfasst, ohne zu fragen. Und als Jesus es merkt, sagt er zu ihr: „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Die Jünger und Apostel hatten ja schon immer den Hang, ihren Meister abzuschirmen: Die Kinder wollten sie abwehren, bis Jesus ihnen sagte: Lasst sie zu mir kommen. Es gibt aber auch den Hauptmann von Kafarnaum, der Jesus zutraut, über die Distanz hinweg zu helfen. Noch heute sprechen wir seine Sätze in der Messe: „Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach…“

Welches Gefühl vermittelt die Kirche gerade? Dass wir kommen können oder dass wir fernbleiben sollen? Dass wir über die Distanz hinweg Hilfe bekommen? Und werden diejenigen, die wir wegschicken, jemals wiederkommen? Natürlich will niemand einen Corona-Hotspot in seiner Pfarrei auslösen. Aber warum gehen wir nicht auf die Straße? Warum beschränken wir nur die Zugänge zu uns? Tun wir wirklich genügend, um die unendliche Liebe Gottes auszustrahlen, nach draußen zu tragen? Reicht es aus, Online-Gottesdienste zu streamen, Telefonnummern anzubieten und Gottesdienstanleitungen für zu Hause zu verschicken? „Tun das alles nicht auch die Heiden?“, frage ich mit Jesus, der gerne nach draußen gestürmt ist so wie es in der Augsburger St. Moritz-Kirche die Christus-Salvator-Figur ausdrückt. Wer diese Kirche betritt, hat das Gefühl, dieser Christus läuft auf einen zu und ruft: „Schön, dass du da bist, aber komm mit, wir müssen raus, es gibt viel zu tun.“ Draußen vor der Tür.

Ja, die Tür ist zu. Die Kirche ist für die Nicht-Angemeldeten geschlossen. Die geschlossene Türe löst Fragen aus. Man möchte sie wie Luther seine Thesen an die Kirchentür nageln. Nur zum Nachdenken, nicht zum Vorwurf. Aber vielleicht zum Anstoß für eine Reformation der anderen Art. Zum Anstoß für eine Re-Formierung, eine neue Formierung der Kirche, für neue Formate. Für eine neue Form von Gemeinschaft, die auf jeden Fall eines auslöst: Hier darf ich rein. Hier bin ich angenommen und willkommen. Die Tür ist auf.

Bild: stephen-radford-86QxYjwq8LU-unsplash

Über den Autor/ die Autorin

Alexander Schweda

Alexander Schweda ist Journalist, Musiker, Theologe und gehört der Vereinigung des Katholischen Apostolats (UAC) an. Er leitet die Öffentlichkeitsarbeit und die Zeitschriften der Pallottiner.