"Erneuert Euer Denken!" (Röm 12,2)
Im Gespräch mit seinen Jüngern stellt Jesus die Fage: „Was nützt es einem Menschen wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch sein Leben zurückkaufen?“ (Mt 16, 26).
Angesichts der momentanen Situation sind das zwei interessante Fragen, die Jesus da stellt Wie steht´s damit? Was liegt in der Luft? Was sagen die Zeichen unserer Zeit? Können wir sie deuten?
Stichwort: Klimawechsel. Schauen wir auf die USA, auf Texas und auf die Überschwemmungen in Indien und Nepal. Scheinbar braut sich etwas zusammen. Stehen die Zeichen auf Sturm? Vor uns die Sintflut? Lange Zeit haben wir gedacht: Es geht alles so weiter. Die Sonne scheint, die Wirtschaft läuft (mal mehr, mal weniger), der Rubel rollt, mit dem Euro gibt es keine Probleme, die Pflanzen schießen üppig ins Kraut. – Und unser Klima? Just in dem Moment, in dem wir denken: Wir haben alles im Griff und nichts kann uns aufhalten, da spüren wir, dass irgendwie alles durcheinander gerät; nicht nur die politische Lage und die Bedrohungen durch den islamistischen Terror, sondern auch die klimatischen Verhältnisse laufen aus dem Ruder; vieles wird infrage gestellt, was Menschen sich aufgebaut haben. Auf den Klimakonferenzen der letzten Jahre wurden hoffnungs- volle Dokumente unterzeichnet. Und wer hält sich dran? Präsident Trump und die USA wollen aus allen Vereinbarungen aussteigen. Das Ozonloch wächst. Das Loch im Himmel bringt vielen Menschen die Hölle auf Erden. Da stimmt doch was nicht. Weiter so? Wenn es so weitergeht, dann geht’s bald nicht mehr weiter!
Klimawechsel: sozial! Tiefe Risse gehen durch unser Land und durch die Welt, zerreißen die Atmosphäre. Die Kinder- und Altersarmut in Deutschland springt nicht ins Auge, so wenig wie das Ozonloch. Sie schreien nicht zum Himmel, sie veröden vor dem Fernseher. Die Zahl der Sozialhilfeempfänger ist enorm gestiegen, erst recht die Zahl der Hartz-IV-Empfänger. Und die Armut wächst, gleichzeitig aber auch der Luxus. Fußballer werden für 222 Mio. und für 150 Mio. € verschachert und die Eintrittspreise kann sich bald keiner mehr leisten. – Ein Zeichen der Zeit?
Die Starken werden stärker und die Schwachen schwächer. Das treibt unsere Gesellschaft immer mehr auseinander. Und angesichts der Wahlen am 24. Septem-ber lähmen sich die Politiker gegenseitig, statt dass sie zu einem Grundkonsens finden und die notwendigen Reformen angehen. Da stimmt doch was nicht. Weiter so? Wenn es so weitergeht, dann geht´s bald nicht mehr weiter!
Klimawechsel kulturell. Das große Schlagwort heißt “Entertainment”. Talk-Shows am laufenden Band. Die Unterhaltungsindustrie läuft auf Hochtouren. So flach wie möglich, ja nicht in die Tiefe gehen! Die Verschmutzung belastet nicht nur unsere Umwelt, sondern Hirne und Herzen. “Wir amüsieren uns zu Tode!”, so sagt es Neil Postman. Es ist chic, Positionen zu vertreten, wie jemand Staubsauger oder Spülmaschinen vertritt und immer mal Produkt und Firma wechselt – ohne sein Herz daran zu hängen, geschweige denn sein Leben. Wir verlernen jene Entschiedenheit, mit der man nur so und nicht auch anders denkt und handelt. Was ist uns noch heilig? Fast alles ist doch käuflich! Ein Zeichen der Zeit? Da stimmt doch was nicht!
Das alles sind Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, und zwar aus Gründen des Glaubens. Ich höre manche sagen: “Die Kirche ist viel zu poli- tisch. Sie mischt sich in Dinge ein, die sie gar nichts angehen.” Doch, die Schöpfung geht uns an. Die Menschen gehen uns an, so wahr es uns um Gott geht. Die dürfen wir nicht zum Teufel gehen lassen. Wir können doch nicht einfach nur unser frommes Schäfchen ins Trockene bringen wollen. Wir können doch nicht tatenlos mit ansehen, wie unsere Gesellschaft immer weiter auseinander treibt. Viele haben ihre Seele an den Markt, an die Börse verkauft, und wir wundern uns, dass das soziale Klima frostig geworden ist. Viele frieren und erfrieren. Wir ersetzen das Rückgrat durch den Euro. Geld zählt mehr als Glaubensüberzeugung, als Aufrichtigkeit. Und wir wundern uns über Korruption und Gewalttätigkeit schon unter Kindern und Jugendlichen. Wir werden uns noch über ganz andere Dinge wundern! Die Krise in Umwelt und Gesellschaft ist eine Krise des Menschen. Der Mensch hat vergessen, wer der Herr der Schöpfung ist.
Klimawechsel – der ist längst fällig, in umgekehrter Richtung. Wie können wir das Klima so umwelt- und sozialverträglich wie nur möglich gestalten? Woher bekommen wir den Nachschub an Strom und guter Energie? Woher nehmen wir die Kraft und den Mut, die gegenwärtige Krise als Chance zur Umkehr zu deuten und die Angst vor Veränderungen zu überwinden?
Im Römerbrief lesen wir: „Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern wandelt euch und erneuert euer Denken!“ (Röm 12, 2) Das ist es, nur so kann´s weiter-gehen! Die Frage ist: Sind wir bereit uns zu ändern, unser Denken zu erneuern? Wo das geschieht, da herrscht ein anderes Klima als unter denen, die immer mehr kriegen wollen und sich vom Eigennutz gefangen nehmen lassen. Da sind wir wach füreinander. Da haben Fremde Platz an unseren Tischen. Da kommen all jene in den Blick, die sonst hinten runterfallen, die gar nicht mehr zählen. “Wandelt euch und erneuert euer Denken!” – Wo das geschieht, da dürfen Gebeugte sich wieder aufrichten und aufatmen, da finden Schuldige Vergebung. “Wandelt euch und erneuert euer Denken!” – Wo das geschieht, da wird die Welt nicht schöngeredet, da wächst Zivilcourage zum klaren Wort gegen das Verdrängen des sozialen Unrechts, gegen Politikverdrossenheit und kulturelle Belanglosigkeit. – “Wandelt euch und erneuert euer Denken!”
Christen brauchen sich nicht zu verstecken. Wir können uns sehen lassen. Wir können wie hier in aller Öffentlichkeit bekunden, wes Geistes Kind wir sind. Und wir sollten endlich Schluss machen mit der elenden, geistlosen Selbstbemitleidung! Klimawechsel! Wir können doch unsere besten Kräfte und Hoffnungs-energien nicht in die eigenen Reibereien investieren. Statt ständig zu jammern, sollten wir die Chance nutzten und über unseren Auftrag und unsere Prioritäten als Christen und Kirche in dieser Gesellschaft nachzudenken. Wie viel Institution vertragen wir, ohne dass wir im Schlamm der Bürokratie – auch in der Kirche – versinken? Wir sollten uns dieser Frage ehrlich und zu Konsequenzen bereit stellen. Denn “was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt?” – “Wandelt euch und erneuert euer Denken!”
Über den Autor/ die Autorin
Pater Siegfried Modenbach SAC
- Jahrgang 1962
- Studium der Theologie in Fulda und Ro
- Studium der Sozialpädagogik in Fulda
- 1990 Noviziat der Pallottiner
- 1992-2002 Leiter des Jugendhofes in Olp
- 1995 Priesterweihe
- 2002-2007 Regens in Vallendar
- seit 1. Oktober 2007 Leiter des Katholischen Forums
- seit 2010 Vorstandsmitglied der Aidshilfe Dortmund
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