Der Katholikentag braucht ein update
Der Katholikentag ist vorbei. Was bleibt? Ich selbst bin mit dem Verlauf des Katholikentages hoch zufrieden. Natürlich hätten wir uns noch mehr Besucherinnen und Besucher gewünscht. Aber vor zwei Monaten war noch nicht einmal sicher, ob es einen Katholikentag geben kann. In diesen Tagen habe ich unendlich viele Menschen getroffen, wiedergesehen und kennengelernt und unzählige Gespräche geführt. Das war sehr intensiv. Spürbar war, dass die Begegnung nach der Corona-Depression allen so gutgetan hat.
Die Katholische Kirche in Stuttgart hat sich authentisch und ganz stark präsentiert, das wurde mir immer wieder bestätigt. Wir haben gezeigt, dass wir spirituell, sozial, kulturell und politisch auf der Höhe der Zeit und auf dem richtigen Weg sind. „Es wäre schön, wenn Kirche überall so wäre“, das war das größte Kompliment, das mir gemacht wurde.
Alle sind tief verunsichert
Ich freue mich, wenn wir den vielen Gästen etwas mitgeben konnten für ihr Leben und ihren Glauben. Und ich bin überzeugt, dass der Katholikentag auch uns neue Horizonte eröffnet hat und ganz viele neue Netzwerke und Beziehungen entstanden sind. Denn wir sind derzeit alle tief verunsichert durch Corona, durch den Krieg in der Ukraine und die Weltlage – und als Christen auch durch die Lage in der Kirche.
Vertraute Sicherheiten sind infrage gestellt. Es gibt einen Haufen Probleme und keine einfachen Lösungen. Der Glaube an Gott ist ja auch kein billiges Beruhigungsmittel oder einfaches Heilmittel für alle Probleme. Der Katholikentag hat dies deutlich gemacht, nach innen und nach außen. Gläubige Menschen sind nicht naiv oder glauben sich die Welt schön. Sondern es sind Menschen, die sich interessieren und engagieren für diese Welt: vor Ort und weltweit in vielen Projekten und Netzwerken.
Kommunikation ist die Lösung
Dabei wurde das Motto „leben teilen“ eindrucksvoll bestätigt. Wir haben nicht die einfache Lösung. Niemand hat sie. Aber wir wissen: Wir werden überhaupt nur zu Lösungen kommen, wenn wir uns zusammensetzen und auseinander setzen. Der Katholikentag bestätigt die alte Regel: Was auch immer das Problem ist: Gemeinschaft und Kommunikation ist die Lösung!
Aber zur Wahrheit gehört auch: Es waren viel weniger Menschen beim Katholikentag in Stuttgart als erwartet. Nicht nur nach Corona, sondern grundsätzlich muss das Format daher überdacht werden. Wenn die Appelle zu einem bescheideneren Lebensstil nicht nur moralistisches Geschwätz gewesen sein sollen, gilt auch für den Katholikentag der Zukunft, bescheidener, fokussierter und handhabbarer zu werden.
Weniger muss künftig mehr sein
In vier Tagen 1500 Veranstaltungen: Das ist einfach ein durchgedrehtes Programm, das niemand mehr wahrnehmen kann, und natürlich auch eine kirchliche Bedeutsamkeitsinszenierung. Aber ist sie noch realistisch? Unzählige Buden und Zelte der allerabwegigsten Gruppen in der Kirche, 10 Millionen Euro Aufwand für 27.000 Besucher, das kann man niemandem mehr vermitteln, das ist nicht angemessen und das wird auch ökonomisch nicht mehr gehen. Da dürfte weniger mehr sein.
So dankbar ich für den Katholikentag in Stuttgart bin, da muss grundsätzlich diskutiert werden. Ich finde zum Beispiel den Vorschlag sehr charmant, Katholikentag und Evangelischen Kirchentag zu verbinden und grundsätzlich Ökumenische Kirchentage zu feiern.
Foto: Benedikt Plesker / 102. Deutscher Katholikentag
Über den Autor/ die Autorin
Dr. Christian Hermes
Christian Hermes ist Stadtdekan von Stuttgart. Der promovierte Theologe hat das Amt im Jahr 2011 übernommen. Der Stadtdekan ist zugleich Dompfarrer der Konkathedrale St. Eberhard in der Innenstadt. Christian Hermes hat den kirchlichen Erneuerungsprozess „Aufbrechen“ angestoßen und ist außerdem Vertreter des Diözesanrates beim Synodalen Weg.
Auch ich habe mich in der Programmkommission dafür augesprochen und hatte eine Menge Befürworter:innen, keine konfessionell getrennten Events mehr zu machen zwischen katholisch/evangelisch. Die orthodoxe community wächst zudem – auch aus bekannten üblen geoploitischen Gründen – auch wenn sie untereinander viele Konflikte hat. Auch auf diese sollte man zugehen!
Aus der Not, (wir sind zusammen jetzt unter 50% der dt. Bevölkerung) eine ökumenische Tugend zu machen; ja die Chance zu ergreifen, Gräben, die nur noch für theologische Fachleute sichtbar zu sein scheinen, endlich aufzuheben. Man sollte überall zusammen arbeiten, ja fusionieren, wo es uns möglich ist und an den theologisch- dogmatischen Hürden weiter mit Sachverstand auf der Höhe der Zeit arbeiten.