Auf die Jugend hören?!
Am 24. September ist Bundestagswahl in Deutschland. Hoffentlich gehen viele zur Wahl. Viele werden es aber auch nicht tun, weil sie das Gefühl haben, dass sie mit Ihrer Stimme nichts bewirken oder verändern können. Ein Gefühl, das auch bei Jugendlichen sehr stark vertreten ist. Jugendliche und junge Erwachsene geraten vor Wahlen leider regelmäßig aus dem Blickfeld. Der Grund dafür ist simpel: Es gibt immer mehr ältere Wähler und immer weniger junge. Wer regieren will, braucht die Stimmen der Älteren. Um sie wird geworben, ihre Themen sind sehr präsent im Wahlkampf. Wie ist das mit den Themen, die jungen Menschen wichtig sind? Nach dem TV-Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz merkte die junge YouTuberin Lisa Sophie zurecht an, dass die Themen, die für ihre Generation wirklich relevant und wichtig sind, nahezu keinen Platz hatten in den mehr als eineinhalb Stunden Diskussion. Die Jugend ist in Sachen Wahl eher ein Randphänomen.
Ich glaube nicht, dass das so gut ist. Wenn sich Politik vor allem nach der zunehmend großen Gruppe der Älteren ausrichtet, bleibt dabei vermutlich manches auf der Strecke. Der Blick eines Politikers reicht ohnehin meist nur bis zur nächsten Wahl. Die Perspektive älterer Wähler ist oft ebenfalls kurzfristig. Die Jugend schaut oft weiter nach vorn und will nachhaltigere Lösungen, die auch in Zukunft noch tragfähig sind. Der Altersdurchschnitt im Bundestag liegt bei knapp 50 Jahren. Unter 30 sind aber nur knapp 2 Prozent der Abgeordneten. Die Jugend ist nicht gut repräsentiert und – wie schon gesagt – zahlenmäßig in der Minderheit unserer Gesellschaft. Der demographische Wandel zeigt sich hier ganz deutlich. Die Jugend hat etwas zu sagen und vieles davon ist ziemlich vernünftig, wie ich finde. In der Politik dürfte gerne mehr auf die jungen Menschen gehört werden.
Und in der Kirche? Da erleben Kinder und Jugendliche Mitbestimmung und Beteiligung in der kirchlichen Jugendarbeit. Aber darüber hinaus? Alle wichtigen Entscheidungen werden von den Bischöfen getroffen. Die können sich beraten lassen, aber selbst Synodenbeschlüsse, um die oft lange gerungen wurde, sind wertlos, wenn nicht der Bischof sie in Kraft setzt. In dieser Hinsicht ist die katholische Kirche mit zwei Worten zu beschreiben: älter und männlich. Und das hat Tradition. Diese rechtliche Struktur hat sich über Jahrhunderte so herausgeformt und sich letztlich auch bewährt.
Und die Jugend? Haben sie in der Kirche eine Stimme? Werden sie gehört?
Es wird viel getan, um Jugendliche zu erreichen. Youcat, die Weltjugendtage, alle möglichen Veranstaltungen und Fahrten. Alles tolle Sachen. Aber halt doch alles Einbahnstraßen: Man erzählt den Jugendlichen was, man setzt ihnen was vor. Alles erstmal nur einseitig. Nur, wer hört den Jugendlichen zu?
Dieses Jahr gibt es da tatsächlich was Neues: Der Papst will die Meinung der jungen Menschen hören. Genauer gesagt lesen. Online können junge Menschen zwischen 16 und 29 Jahren in einem Fragebogen dem Papst schreiben, was sie denken, was sie gut finden, was sie ablehnen. Das ist großartig! Der Heilige Vater beugt sich hinab zu seinen „Kindern“ und hört ihnen zu. Die Aktion dient der Vorbereitung der nächsten Bischofssynode. Martin Luther würde sagen, der Papst will dem jungen „Volk aufs Maul schauen“. Er will wissen, was sie denken, was ihnen im Leben wirklich wichtig ist und was nicht. Ich finde das eine tolle Idee. Denn: die Jugend hat was zu sagen.
Kleiner Haken: Die Ergebnisse der Online-Umfrage sind dann nur die Diskussionsgrundlage für die Bischöfe. Ob sich ihre Entscheidungen tatsächlich an der Meinung der jungen Katholiken in aller Welt orientieren werden? Ich weiß es nicht und ich bin da eher skeptisch. Aber ich lasse mich gerne überraschen…
„Niemand soll dich wegen deiner Jugend geringschätzen.“ (1 Tim 4,12) Mit diesen Worten macht Paulus seinem Mitarbeiter Timotheus Mut, den er alleine auf die Reise zu christlichen Gemeinden schickt. In der Bibel werden große Aufgaben grundsätzlich älteren und jüngeren Menschen zugemutet und zugetraut. Und die in der Bibel so hochgeschätzte Weisheit ist grundsätzlich nicht vom Alter abhängig. Die Hochachtung und Wertschätzung für die Alten wird in der Bibel ebenfalls oft betont. Und sie ist mir auch sehr wichtig. Aber als Mitarbeiter in einer Jugendbildungsstätte liegen mir die jungen Menschen nahe und am Herzen. Meine Bitte an Politiker, Bischöfe und alle, die Entscheidungen zu treffen haben: Hört auf die Jugend! Sie hat es verdient.
Über den Autor/ die Autorin
Christoph Schnellbacher
- geboren am 16. April 1980 in Aschaffenburg
- Studium der katholischen Theologie an der Universität Würzburg
- Seelsorger in der Diözese Würzburg an verschiedenen Einsatzorten bzw. Pfarreien
- Seit 2016 Jugendbildungsreferent im Jugendhof Pallotti Haus Olpe
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