Angst vor dem Ungewissen: von Pater Heinen SAC
Wer den Bedarf an Veränderung nicht erkennt und auch nicht merken will, dem verordnet der Apokalyptiker Johannes auf Patmos in seinen Endzeitreden die Rosskur: Alles muss weg, nichts bleibt, wie es war. Erwarten braucht Mut. Er macht widerstandsfähig gegenüber den Resignierenden, die uns – alla Kohelet – zurufen: Nichts Neues unter der Sonne! Alles eitel und vergeblich! Nur wer nichts erwartet, hat auch nichts zu verlieren!
Jüngst hat jemand in einem Gebet an Maria den aus der katholischen Gebetstradition überkommenen Satz zitiert: „Jungfrau, Mutter Gottes mein … drum ruf ich beharrlich in Kreuz und in Leid, Maria hilft immer, sie hilft jeder Zeit.“ Und fährt dann fort: „Maria, so beharrlich kann ich nicht beten. Mich lähmen oft Zweifel und Sorgen. Und die Angst vor dem Ungewissen. Ich liebe Veränderung nicht. Gern hätte ich, wenn in meinem Leben, wenn in der Kirche, wenn in meiner Familie, in meiner Gemeinschaft alles so bliebe wie es ist. Ich bin zufrieden und suche das Neue nicht, nicht das Abenteuer und die Herausforderung; ja es drückt mich die Frage, was wird kommen, wie wird es sein? Das lähmt, macht vielleicht bitter. Ich weiß und erfahre: Leben ist Veränderung. Wer nicht mitgeht, bleibt stehen.“
Die Apokalyptik findet sich damit nicht ab. Sie ist eine riskante Reaktion auf Enttäuschungskrisen zugunsten der Hoffnung. Sie setzt lieber auf die Karte einer nicht vorstellbaren kosmischen Rundumerneuerung als nichts mehr zu erwarten. Sie ist eine Theologie der Hoffnung. „Unter dem Druck der Gegenwart nimmt sie den Glauben an Gott den Schöpfer ganz in den Glauben an den Neuschöpfer zurück“ (M. Moxter, Predigt zu Offenbarung des Johannes, Kapitel 21, Vers 1-4), 24.4.2016. Keine einfache Antwort auf schwierige Fragen. Gott selbst steht mit seinem Wort für das Neue: „Seht, ich mache alles neu“ (Offb 21,5).
((06.12.16, Bild: pixabay))
Über den Autor/ die Autorin
Karl Heinen SAC
Geboren 1935. Mit 14 Jahren besuchte er das Gymnasium der Pallottiner in Limburg. Es folgten Noviziat und Profess; später die Priesterweihe. Sein Studium der Theologie und Bibelwissenschaft absolvierte er an der Gregoriana in Rom. Nach der Promotion 1968 wurde Professor an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar im Fach Exegese des Alten Testaments. Nach der Emeritierung 2004 als Generalprokurator der Pallottiner in Rom tätig; seit 2011 freier Mitarbeiter bei der pallottinischen Zeitschrift „das zeichen“.
Sehr geehrte Herr Frank M., ich will keine Endzeitstimmung erzeugen. Ich bin mit Ihnen der Überzeugung, dass eine andere Welt möglich ist und dass dazu alle beitragen müssen. Die Apokalyptik macht deutlich, dass das ohne Gott nicht geht, und die Menschheitsgeschichte bestätigt es. Was wir brauchen, ist „Das Prinzip Hoffnung“. Und eben darum geht es der oft schwer zu verstehenden Apokalyptik.
pkh.
Apokalyptik? Das Ende der Welt ist nahe! Kehrt um! Kauft Ablassbriefe? Nicht schön! Andererseits: die apokalyptischen Offenbarungen, sind im Laufe der Kirchengeschichte immer wieder Wahrheit geworden: die systematische Verbrennung von Frauen, das Herausschneiden der Zungen von Andersgläubigen, die industrielle Ermordung jüdischer Mitbürgerinnen, Menschen die im Feuersturm Dresdens verdampfen, Napalm auf flüchtende Kinder, … Zugegeben, nicht nur Christen ließen und lassen die Welt seit Christi Geburt immer wieder untergehen. Deshalb braucht es weder eine neue Endzeitstimmung, noch Verschwörungstheorien oder Panikmache. Vielmehr brauchen wir Menschenrechte und Menschen mit Zivilcourage, Weltbürgerinnen und Weltbürger und streitbare Demokraten mit Visionen. Das könnten auch Christen sein.