Liebe statt Krieg

Gibt es einen gerechten Krieg? Ein klares Nein, bin ich versucht zu sagen. Die Krisen unserer Tage lehren uns jedoch, nicht zu schnell zu urteilen. Die Fragen von Krieg und Frieden und nach einem gerechten Krieg sind bedrückend und bedrängend. Doch es ist wohl auch bittere Wahrheit, was auf einem Kalenderblatt zu lesen war: Wenn die Reichen Krieg führen, sterben die Armen.

In unseren Tagen herrschen auf der einen Seite Kriege und Krisen, auf der anderen Seite ist im Monat Februar Karnevalszeit. Darf man in Krisenzeiten ausgelassen sein und lachen? Vielleicht ist dies sogar wichtig, um nicht resignativ zu werden. Karneval hat in Köln so manche Krise überstanden. Wegen besonderer Krisen- und Kriegszeiten ist der ein oder andere Rosenmontagszug ausgefallen, jedoch waren die Kölner schon sehr bald nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf den Beinen, zunächst 1948 noch sehr klein und gegen das Verbot der Besatzungsmächte.

Meistens gibt es für jede Session ein eigenes Motto. Fastnacht heißt im kölnischen Dialekt Fastelovend (hochdeutsch: Abend vor dem Fasten). In FasteLOVEnd kann man auch das englische Wort für Liebe entdecken: love. Das macht sich das Motto in diesem Jahr zunutze: „FasteLOVEnd – wenn Dräum widder blöhe“ (Fastnacht – wenn Träume wieder blühen). Es erinnert an die Zeit und den Slogan von „Make love, not war“ (Engl.: Macht Liebe, nicht Krieg) von Hippies und einer Antikriegsbewegung vor circa 60 Jahren. Der Slogan war entstanden als Protest gegen den Kalten Krieg und den Vietnamkrieg.

Gerechter Krieg?

Jesus von Nazareth verkündete die alle Menschen und alle Welt umfassende Liebe Gottes und er sprach vom Reich Gottes, das alle Gewaltherrschaft begrenzt und ablösen wird. Deshalb lebte und verkündete er Gewaltverzicht. Liebt eure Feinde, betet für die, die euch verfolgen, lässt der Evangelist Matthäus Jesus diese Haltung in der Bergpredigt zusammenfassen (Mt 5,44/45). Bei seiner Verhaftung vor seinem Tod am Kreuz bleibt Jesus seiner Haltung treu. Dem, der ihn mit dem Schwert verteidigen will, sagt er, dass er sein Schwert wieder in die Scheide stecken soll.

Auch seine Nachfolger und Nachfolgerinnen sollten so denken und handeln. Er rät ihnen, nichts mitzunehmen, keinen Geldbeutel, keine Vorratstasche, keine Schuhe. So soll ihre Botschaft von Frieden, Heilung und Heil glaubwürdig sein (Lk 10,4). Ebenso sollten sie untereinander keine Rangunterschiede ausbilden. So lässt Markus in seinem Evangelium Jesus seine Jünger belehren: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und ihre Großen ihre Macht gegen sie gebrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein. Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele (Mk 10, 42-45).

Taufe bedeutet, dass Getaufte in die Gemeinschaft derer, die Jesus, dem Christus nachfolgen, aufgenommen werden. Viele Urchristen sahen deshalb Dienste mit der Waffe und Kriegführung als unvereinbar mit dem Evangelium an. In Erwartung der nahe bevorstehenden Wiederkunft Christi distanzierten sie sich von der zum Vergehen bestimmten Welt, zu der für sie unausweichlich Krieg und Bürgerkrieg gehörte. So erfuhren sie es ja unmittelbar im römischen Imperium, in dem sie lebten.

Doch die Wiederkunft Christi verzögerte sich, und so mussten und müssen sich Christen bis heute mit der Wirklichkeit von Krieg und Kriegen auseinandersetzen. Es entwickelte sich die Lehre vom gerechten Krieg. Um 1140 wurde diese im sogenannten Decretum Gratini Teil des kanonischen, des kirchlichen Rechts. Ein Krieg gilt als ethisch und rechtlich legitim, wenn eine rechtmäßige staatliche Autorität einen Krieg aus einem gerechten Grund und mit richtigen Absichten und Zielen führen muss.

Modernes Völkerrecht

Geprägt durch die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs gilt im modernen Völkerrecht allgemein Gewaltverbot. Außerdem bekennen sich die Vereinten Nationen, denen 193 und damit fast alle Staaten der Welt angehören, zu einem wertgebundenen System auf Basis der Menschenrechte, des Selbstbestimmungsrechts der Völker, der souveränen Gleichheit der Staaten und des Multilateralismus. Angriffskrieg ist grundsätzlich moralisch geächtet. Als legitim gelten nur von den Vereinten Nationen mandatierte „militärische Sanktionen“, die als humanitäre Interventionen zum Schutz von Menschen in menschenrechtlichen Notlagen zu verstehen sind.

Das Völkerrecht lebt von der gegenseitigen Erwartung, dass Staaten ihre völkerrechtlichen Pflichten einhalten. Scheren einzelne Staaten aus, verlieren die völkerrechtlichen Übereinkünfte an Durchsetzungskraft. Das gilt besonders für Staaten und Staatenbünde mit Vorbildfunktion wie die USA, Russland und die EU. Leider durchbrechen Staaten vermehrt die völkerrechtlichen Prinzipien. Beispiele dafür sind der von den USA initiierte Krieg im Irak 2003 oder das Gefangenenlager Guantanamo, in der Gegenwart der von Russland vom Zaun gebrochene Angriffskrieg in der Ukraine, der Terror der Hamas und die Zerstörungen Israels in Nahost sowie die unterdrückerische Politik Chinas.

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Über den Autor/ die Autorin

Pater Heinz-Willi Rivert SAC

Geboren 1960 in Rheinbach bei Bonn. Katholischer Priester in der Gemeinschaft der Pallottiner, Diplom in Theologie und in Psychologie. Ehemals in der Jugend-, Pfarr-, Schul- und Hochschulseelsorge tätig, kurz nach der Wende von 1989 auch für drei Jahre im Bistum Erfurt. Seit 2020 lebt er im Missionshaus der Pallottiner in Limburg/Lahn. Er ist tätig in der Seelsorge, in religiöser Erwachsenenbildung und in der freien Mitarbeit bei verschiedenen Publikationen.