Abschied nehmen
Das Leben ist eine einzige Serie von Abschieden. Von allen Personen und von allen Dingen müssen wir irgendwann Abschied nehmen. Spätestens am Ende unseres Lebens ist es soweit. Doch auch bis dahin nehmen wir Abschied. Der eine Abschied ist vorübergehend, in der Gewissheit, man trifft sich wieder.
Der andere Abschied eröffnet ein ungewisses Wiedersehen.
Beim dritten Abschied gibt es kein Wiedersehen, zumindest nicht in dieser Welt. Der eine Abschied ist geplant, vielleicht von einem selbst erwirkt. Der andere Abschied ist plötzlich. Man wird einfach damit konfrontiert. Selten sind wir uns dessen bewusst, welches Geschenk der andere Mensch für einen bedeutet. Erst wenn der Abschied kommt, wird dieser Mensch plötzlich so wertvoll. Bei der Sterbebegleitung ist dies besonders deutlich zu sehen, wenn man dann oft möglichst viel Zeit mit dem Sterbenden verbringen will. Jede Minute wird dann zur Kostbarkeit. Zuvor wähnte man sich in Sicherheit seiner Anwesenheit, aber der Abschied macht plötzlich die Zeit mit diesem Menschen so kostbar.
Mit diesem Wissen um den Abschied sollte das Zusammenleben voller Wertschätzung und Dankbarkeit sein. Diese lassen erfolgte Verletzungen heilen und machen glücklich. Das gilt jedoch nur, wenn Wertschätzung und Dankbarkeit kein reines Lippenbekenntnis sind, sondern auch erfahren wird. Es wirkt auch nur, wenn die Verletzungen nicht zu tief sind, denn jede tiefe Verletzung trennt einen von dem anderen Menschen. Ist es ein planmäßiger Abschied, so sollte dieser in gutem beiderseitigem Einvernehmen erfolgen. Groll oder Hass sollten auf keiner Seite zurückbleiben. Wenn man sich diese Grundregel des Lebens verinnerlicht, nimmt man den anderen Menschen nicht nur dankbarer wahr, man kann auch leichter Abschied nehmen. Denn kein Mensch ist Besitzgut eines anderen. Dies gilt am Arbeitsplatz genauso, wie in der Ehe und in jeder anderen Beziehung und Gemeinschaft. Ist es ein schmerzlicher Abschied, dann hat man dem anderen viel zu verdanken, stand in sehr enger Beziehung zu ihm und liebte ihn. Dies zeigt sich nun in Trauer und in Schmerz. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite wird nur selten in den Blick genommen. Man darf dankbar sein, solch einen Menschen ein Stück des Lebens an seiner Seite gehabt zu haben. Man darf dankbar sein für die gemeinsamen Erlebnisse, was der andere einem zeigte und lehrte, wie er einen verwöhnte und liebte. Den Blick auf diese Seite der Medaille macht den Abschied erträglicher.
Über den Autor/ die Autorin
Pater Klaus Schäfer SAC
Pater Klaus Schäfer SAC arbeitet seit vielen Jahren als Klinikseelsorger, derzeit in Regensburg. Er machte sich mit seinem Einsatz für Eltern - nach Tot- und Fehlgeburt - bundesweit einen Namen. Seit 2014 bemüht er sich um eine sachlich korrekte Aufklärung zu Hirntod und Organspende. Hierzu schuf er im Januar 2014 die Internetseite www.organspende-wiki.de und veröffentlichte zahlreiche Bücher und Artikel.
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