Sehnsucht nach Erlösung –
was heißt es, wenn an Weihnachten der „Heiland“ kommt?

Menschen wollen leben, nicht nur überleben. Sie wollen nicht in Angst leben, arm und unterdrückt, sondern glücklich und in Frieden und Freiheit. Auch wenn sie es nicht so nennen, alle kennen doch die große Sehnsucht nach Heil, Erlösung und dem „Mehr“ im Leben.

Recht unterschiedlich wird auf diesem Erdball Weihnachten gefeiert, immer aber ist es ein frohes Fest, das Heil, Erlösung und das Mehr im Leben verheißt. Denn ein Kind ist uns geboren und der Welt geschenkt. Es ist Jesus, von dem gesagt wird: Er ist Christus, der Herr, der Heiland, der Retter und Erlöser der Welt.

Heiland, wer oder was ist das? Wenn wir heute eine Umfrage starten würden, die wenigsten würden mit dem Wort Heiland etwas anfangen können. Manche würden an die Fernsehserie „Die Heiland – Wir sind Anwalt“ denken. Menschen, die in der christlichen Religion aufgewachsen sind, würden an Jesus Christus, den Heiland denken. Auch mir wurde als Kind vom lieben Heiland erzählt. Aber was mit Heiland gemeint ist, wusste ich nicht. Erstaunlicherweise erhielt ich letztens die Antwort: Heiland, das ist jemand, der Heil bringt und macht. Die Fernsehserie von der Anwältin Heiland rechnet wahrscheinlich mit solch unterbewussten Assoziationen. Das Wort Heiland kommt von dem Mittel- und Althochdeutschen heilant, was eine Verbform (Partizip Präsens) von heilen ist: heilend. Übersetzt wird damit die Bezeichnung von Jesus Christus als dem salvator, als dem Erlöser, Heiland, Retter und Befreier.

Alttestamentliche Sehnsucht

Von der Sehnsucht nach Heil und Erlösung aus allem Leiden, nach Befreiung aus Armut und Unterdrückung ist bereits in den Schriften des Alten Testaments viel die Rede. Das sind ja auch die Heiligen Schriften des Judentums, mit denen Jesus aufgewachsen ist. Da gab es die starke Erwartung eines zukünftigen Messias, der eine Zeit des Friedens und der Gerechtigkeit herbeiführen und ein Reich Gottes errichten würde. Von der Sehnsucht und der Hoffnung, dass Gott Rettung und Heil bringen möge, ist vor allem bei den Propheten und in den Psalmen die Rede, und immer wieder auch vom Vertrauen auf Gott und vom Dank für erfahrene Rettung aus Leid und Bedrängnis. Diese alttestamentliche Sehnsucht und Hoffnung, dass in und mit Gott Leben, Heil und Zukunft zu finden ist, thematisierte ein Adventskalender, der uns als Kinder in jedem Jahr begleitete. In Erinnerung geblieben sind mir die Bilder von Noah, der Arche, dem Regenbogen und vom brennenden Dornbusch.

Manche Adventslieder haben eine schwere Geschichte

Es treibt uns auch heute noch um. Unerfüllte Sehnsucht. Vielleicht sogar wieder neu und stärker als in den vergangenen Jahren. So viele Krisen. So viel Gewalt und Zerstörung. So vieles ist im Umbruch. Auf so wenig kann man sich noch verlassen. Wir sehnen uns nach Gerechtigkeit und Frieden und hoffen darauf, dass unser Leben glücken und gelingen kann. Vermutlich teilen wir diese Hoffnung und Sehnsucht mit allen Menschen, auch mit denen, die eher auf ihre eigene Kraft und Stärke vertrauen als auf Gott, von dem sie nichts mehr wissen oder wissen wollen. Als Christen verbinden wir diese Hoffnung und Sehnsucht mit Gott, von dem wir sagen, dass er in Jesus Christus Mensch geworden ist. In ihm und in seinem Wort finden Menschen Heil, Erlösung und Befreiung von allem, was sie klein macht und gefangen hält. Er ist uns Erlöser, Retter, Befreier und Heiland.
Davon singen wir in unseren Advents- und Weihnachtsliedern, die teilweise in schwerer Zeit entstanden sind. Vor dem Hintergrund einer Pest in der westfälischen Stadt Unna schrieb der evangelische Pfarrer Phillip Nicolai 1599 das Lied „Wachet auf“, das bis heute gern in der Adventszeit gesungen wird. 1622 schreit vor dem Hintergrund des Hexenwahns der Jesuit Friedrich Spee hinaus „O Heiland, reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf.“ Der protestantische Schriftsteller Jochen Klepper ist mit einer Jüdin verheiratet. Aufgrund des nationalsozialistischen Terrors drohen den beiden die zwangsweise Scheidung ihrer Ehe und Vernichtung im KZ, sie kommen den Nazis zuvor und nehmen sich das Leben. Der Christ Jochen Klepper ringt mit sich und seinem Gott und verfasst das Lied „Die Nacht ist vorgedrungen“. Dort heißt es unter anderem:
„Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld. Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld.“

An Weihnachten dürfen wir dann endlich im Lied „Stille Nacht“ singen „da uns schlägt die rettende Stund, Christ in deiner Geburt“ und „Der Heiland ist geboren, freu dich, o Christenheit“. In einem Text der Liturgie heißt es:

„Er heilt die Wunden der ganzen Schöpfung, richtet auf, was darniederliegt, und ruft den verlorenen Menschen in das Reich des Friedens“.

Diesen Ruf zu hören und ihm zu folgen, dazu will Weihnachten jedes Jahr neu bewegen. In weihnachtlicher Freude dürfen wir auf das Wort Gottes hören. Dieses Wort lässt Wunden heilen, die uns zugefügt wurden. Es stiftet an zu Frieden und Versöhnung und lässt Menschen entsprechend leben und handeln. Dann wird es wirklich wieder Weihnachten. Der Heiland ist gekommen in unsere Herzen und in unsere Welt, wenn Menschen beginnen, nicht immer mehr Unheil und Unfrieden zu stiften, sondern dazu beizutragen, dass Wunden heilen können, und mutige Schritte zu wagen für Frieden und Versöhnung.

 

Foto: Turi Adobe Stock

Über den Autor/ die Autorin

Pater Heinz-Willi Rivert SAC

Geboren 1960 in Rheinbach bei Bonn. Katholischer Priester in der Gemeinschaft der Pallottiner, Diplom in Theologie und in Psychologie. Ehemals in der Jugend-, Pfarr-, Schul- und Hochschulseelsorge tätig, kurz nach der Wende von 1989 auch für drei Jahre im Bistum Erfurt. Seit 2020 lebt er im Missionshaus der Pallottiner in Limburg/Lahn. Er ist tätig in der Seelsorge, in religiöser Erwachsenenbildung und in der freien Mitarbeit bei verschiedenen Publikationen.