Franziskusdarstellung von Cimabue in San Francesco, Assisi, Italien

Franziskus baut die Kirche neu auf: ein folgenreicher Traum

Franziskus, geh hin und stelle mein Haus wieder her. Das soll Franz von Assisi in der verfallenen Kapelle San Damiano vom Kreuz herunter gehört haben. Franziskus baut eine dem Reichtum, Macht- und Karrieredenken verfallene Kirche im Geist des Evangeliums wieder auf. Als arme Kirche an der Seite der Armen. Anspruch und Herausforderung bis heute.

Der Traum des Franziskus

Der junge Kaufmannssohn Franziskus träumte von einer glänzenden Karriere und vom Ruhm als Ritter. Ein junger Mann mit wachem Geist soll er gewesen sein, temperamentvoll, großzügig, verschwenderisch ein wenig angeberisch, mit einem Hang dazu, auffallen zu müssen. Auf diese natürlichen Grundlagen konnte Gott mit seiner Gnade aufbauen. Als er auf einem Feldzug nahe Spoleto krank wurde, geschah in ihm etwas, das zu einer radikalen Änderung seines Lebens führte. Er wurde ein Armer unter den Armen und von der Gesellschaft Gemiedenen. Es war dann wohl 1206. In der Nähe von Assisi gab es die verlassene und verfallende Kapelle San Damiano. Dort hat Franziskus einmal vor dem Kreuz gebetet. Thomas Celano, der erste Biograph des Franziskus, erzählt, dass das Bild des gekreuzigten Christus zu Franziskus gesprochen habe, „wobei sich die Lippen auf dem Bilde bewegten. Er rief ihn bei seinem Namen und sprach: ‚Franziskus, geh hin und stell mein Haus wieder her, das, wie du siehst, ganz verfallen ist!‘ Franziskus zitterte und staunte nicht wenig und kam beinahe von Sinnen ob dieser Worte.“ Franziskus verstand das zunächst wortwörtlich und begann, die kleine Kapelle Stein für Stein wieder aufzubauen. Erst im Laufe der Zeit erschloss sich ihm die volle Bedeutung dieser Worte. Er war dazu berufen, im Geist des Evangeliums die Kirche zu erneuern, die damals von Spaltungen und Häresien erschüttert wurde. Er widersprach dem Macht- und Karrierestreben in der Kirche, in der sich studierte Kleriker wie Patriarchen aufführen konnten. Dagegen träumte er von einer geschwisterlichen Kirche des Volkes. Er widersetzte sich dem Reichtum in der Kirche. Als Gegenentwurf lebt er radikale Armut. Armut bedeutet Befreiung von dem Druck, sich um seinen Besitz kümmern und ihn mehren zu müssen. Wenn Armut nicht Not und Elend bedeutet, sondern als ein Lebensideal frei gewählt werden kann, befreit sie die Menschen dazu, als Schwestern und Brüder in der einen Schöpfung zu leben. Franziskus träumt von einer armen Kirche. Ihm macht die patriarchale Kirche zu schaffen und ihre monarchische Struktur, in der der Papst wie ein Feudalherr als absoluter Monarch herrscht. Dem Nachfolger des Petrus bleibt Franziskus gehorsam. Entgegen dem Willen des päpstlichen Delegaten ergreift er aber am Rande der Kreuzzüge eine Friedensinitiative. Er trifft sich 1219 mit dem muslimischen Sultan al-Malik al-Kamil in Ägypten.

Kirchenträume heute

Jorge Bergoglio hat sich als Papst den Namen des Poverello von Assisi gegeben. Der Name Franziskus war Programm dieses Papstes. Er will die Kirche im Geiste des Franz von Assisi erneuern. Schon sein erstes Apostolisches Schreiben von 2013 lässt dies erkennen. Es trägt den Titel Evangelii gaudium, die Freude am Evangelium. In verschiedenen Dimensionen wird die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute beleuchtet. Es ist neben den Bischöfen, Priestern, Diakonen und Personen geweihten Lebens auch adressiert an die christgläubigen Laien. Papst Franziskus beschreibt darin seinen Traum von Kirche.

„Mir ist eine »verbeulte« Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist.“

Er will keine Kirche, die um sich selbst kreist. Er möchte eine Kirche, die in heiliger Unruhe ist wegen der Tatsache, dass so viele Menschen ohne die Kraft, das Licht und den Trost der Freundschaft mit Jesus Christus leben. Er sagt Nein zu einer Wirtschaft, die Menschen ausschließt und in der es möglich ist, Menschen wie Müll zu entsorgen. Er sagt Nein zur Vergötterung des Geldes. Papst Franziskus träumt von einer armen und demütigen Kirche, die an der Seite der Armen und je Schwächeren ist. In den 1970iger Jahren träumte der Liedermachen Piet Janssens von einer Welt der Verheißung Gottes, nicht der Marktschreier und Propagandisten. Nach einer solchen Welt, nach Gott und seiner Verheißung zu suchen und zu fragen, ist heute wieder höchst notwendig, die Not des Menschen und unseres Planeten wendend. Dazu sind alle, die sich Christen nennen, eingeladen, ob Mann oder Frau, ob Kleriker oder nicht, gleich welcher Hautfarbe oder welchen kulturellen Hintergrundes. Alle, ob jung oder alt, gesund oder krank, sind eingeladen, jeweils in ihrer Art und Weise mit ihrem ganzen Leben das Evangelium zu verkünden. An dem, wie Menschen leben und handeln, soll und kann etwas von der Freude deutlich werden, von Gott als mütterlich liebendem Vater aller Menschen wissen und in Freundschaft mit Jesus Christus leben zu dürfen.

Über den Autor/ die Autorin

Pater Heinz-Willi Rivert SAC

Geboren 1960 in Rheinbach bei Bonn. Katholischer Priester in der Gemeinschaft der Pallottiner, Diplom in Theologie und in Psychologie. Ehemals in der Jugend-, Pfarr-, Schul- und Hochschulseelsorge tätig, kurz nach der Wende von 1989 auch für drei Jahre im Bistum Erfurt. Seit 2020 lebt er im Missionshaus der Pallottiner in Limburg/Lahn. Er ist tätig in der Seelsorge, in religiöser Erwachsenenbildung und in der freien Mitarbeit bei verschiedenen Publikationen.