
Wer weiß Besseres?
Oder: Warum der Glaube Zukunft hat
Heute erleben wir Meinungsvielfalt, doch Qualität und Redlichkeit vieler Aussagen lassen sich nur schwer überprüfen. Über den Sinn des Lebens denken dabei alle nach. Wer verdient unser Vertrauen? Sind Auskünfte über ein mögliches ewiges Leben noch sinnvoll oder verstaubte Requisiten von anno dazumal?
Die Sehnsucht nach ewigem Leben hat eine unendlich lange Spur in der Menschheitsgeschichte. Schon älteste Funde aus für uns unzugänglichen Zeiten zeigen auf ein „Jenseits“. Aber ähnlich alt ist der immer wieder vorgebrachte Einwand, dass der Glaube an Gott und sein Wirken lediglich dem Wunsch entspringe, unsere Wissenslücken zu übertünchen. „Lückenbüßergötter“ gab und gibt es reichlich. Sie zu entlarven ist löblich, doch Leo Tolstoi gibt zu bedenken:
„Wenn jemand aufhört an einen hölzernen Gott zu glauben, heißt das nicht, dass es keinen Gott gibt, sondern nur, dass der wahre Gott nicht aus Holz ist“.
Das reicht nicht aus, um den „Tod Gottes“ festzustellen. Schon die antiken Anfänge der östlichen und westlichen Philosophie kennen Angriffe auf den Gottesglauben, doch erst in der Neuzeit finden sie breitere Beachtung. Voltaire und andere Denker der Aufklärung, vor allem Ludwig Feuerbach, dann auch Karl Marx sahen in der Gottesvorstellung ein Betäubungsmittel, um die Unerträglichkeit des menschlichen Elends durch Vertröstung auf das Jenseits zu erleichtern. Im 20. Jahrhundert dienten der Einfluss und Erfolg der Naturwissenschaften, besonders das darwinistische Weltbild, als Stütze der Gotteskritik. Später breitete sich eine explizit atheistische Doktrin flächenmäßig vor allem im faschistischen und kommunistischen Machtbereich aus. Gegenwärtig begreift sich der Atheismus primär als Konsequenz der Aufklärung. Als nächstes Projekt prophezeit der populäre Denker Yuval Noah Harari den Griff nach der Unsterblichkeit. Ob der Schritt zum gottähnlichen Menschen dank der Fortschritte in der Biotechnologie und künstlichen Intelligenz Realität wird, lässt er offen, doch sein Wunsch geht in diese Richtung.
Die endlose Suche
Es wäre unredlich, atheistische Anschauungen pauschal in die böse Ecke zu stellen. Viele sind ein Aufschrei gegen unbegreifliches Leiden, etliche verstehen sich als Rebellion gegen die Untaten, die im Namen der Religion verübt wurden und noch werden. Zu viele „Wahrheiten“ oder „Dogmen“ geraten ins Zwielicht, wenn sie sich der Debatte mit dem aktuellen Wissensstand verweigern. Das endlose Verlangen nach überprüfbaren sicheren Antworten auf zentrale Sinnfragen der Welt und der Menschen ist nicht zu stoppen, schon gar nicht als böswillig zu verteufeln.
Kollektivistische Ideologien unterschiedlicher Art wie zum Beispiel der materialistische Marxismus oder mancher absolutistische Naturschutz sehen Sinn und Ziel unseres Lebens vor allem in unserem Einsatz für das Glück künftiger Generationen. Da ist sicher mancher Idealismus am Werk, der durchaus Anerkennung verdient. Aber riecht das nicht viel stärker nach Vertröstung als die christliche Hoffnungsbotschaft, die noch weiter reicht als jeglicher menschliche Einsatz?
In die entgegengesetzte Richtung zielen Egoismus und Konsumismus, mal platt materialistisch, mal nationalistisch oder pseudoreligiös geprägt. Diese Weltanschauung ist deswegen so bedeutsam, weil die Mehrheit unserer Wohlstandsgesellschaft sie ganz unreflektiert praktiziert. Ihr Dogma lautet: Der Sinn des Lebens liegt im Genuss des Einzelnen. Jeder mag für sich (und seine Gruppe) selbst sorgen. Was morgen ist, soll uns heute noch keine Sorgen machen. Und eine wackelige Fortschrittsgläubigkeit segnet diese Sicht ab. Ist das eine befriedigende Antwort? Kein Wunder, dass sich Enttäuschte zuweilen lebensverdrossen einem Fatalismus ergeben. Sie sagen: Das ist nun mal so, dass der Mensch ein paar Jahre lebt und dann stirbt. Und eines Tages geht es mit der ganzen Welt zu Ende. Dann ist eben alles aus. Wollen wir uns damit abfinden?
Die Frage nach dem Sinn des Lebens darf kein Tabu sein!
Es gibt viele Weltanschauungen, aber jede hat ihre Haken. Keine Antwort auf die Sinnfrage ist im strikt naturwissenschaftlichen Verständnis beweisbar. Auch die christliche Botschaft vom „ewigen Leben“ ist es nicht. Das ist Realität, aber dies rechtfertigt nicht die Frage nach dem Sinn unseres Lebens zum Tabu zu erklären. Allein ein Blick auf die Dichtung, die Literatur oder den Film der Gegenwart zeigt, dass sie sich nicht unterdrücken lässt.
Und wir kennen die Worte Jesu vom ewigen Leben. Sie sprechen jedem Menschen und nicht nur dem Kollektiv, auch den Menschen früherer oder späterer Zeiten, eine zeitlose Würde zu. Jesus versichert uns die Liebe Gottes, die uns trägt, ob wir sie erkennen oder nicht, in guten und in schwierigen Zeiten. Wer weiß, dass unser Leben „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ in der schützenden Hand Gottes liegt, braucht selbst bei einem Fall keinen Untergang zu fürchten. Zuversichtliches Leben ist möglich, da es keinen Zwang zum Erfolg gibt. Das macht das Herz frei und lässt auch irdisches Glück erst richtig wahrnehmen.
Wir stehen vor der Wahl!
Unter den vielen Antworten auf die zentralen Lebensfragen können wir jene auswählen, mit der wir am besten leben, am ruhigsten sterben und auch guten Gewissens Leben weitergeben können. Es bleibt nicht aus, dass in uns immer wieder Zweifel aufkommen oder an uns herangetragen werden. Das war in der christlichen Frühgeschichte nicht anders. Doch intuitiv fragt Petrus: „Herr, wohin sollen wir gehen?“ Er gibt selbst die Antwort: „Du hast Worte ewigen Lebens“ (Joh 6, 68). Menschlicher Intellekt allein kann sie weder beweisen noch widerlegen.
Viel wichtiger als die Frage, ob diese oder jene Weltanschauung die bessere ist, ist die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Person, die für die Wahrheit bürgt. Christen kennen die Botschaft, dass ihr Meister im Leben und Sterben treu auf Gott vertraute, und dass Gott in gleicher Treue seinen Sohn aus dem Tod zum Leben erweckte. Das lässt auch uns hoffnungsvoll warten. Karl Rahner kommt zum Schluss: „Glauben heißt, die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang aushalten“ (GL S.449).
Wir dürfen selbstbewusst fragen: Wer weiß wirklich Besseres?
Bild: inkevalentin adobe stock
Über den Autor/ die Autorin

Pater Peter Hinsen SAC
seit 1967 Pallottiner, Autor von zahlreichen Büchern und Zeitschriften (seit 1968 in „KA“ bzw. „das zeichen“), engagiert in der Seelsorge, Erwachsenenbildung und Priesterausbildung. Heute lebt er in Immenstaad am Bodensee.
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