Ist Yoga für Christen empfehlenswert?

Kaum eine asiatische Heilslehre wird unter Christen so heftig angeprangert wie Yoga. Immer wieder bekommt man zu hören, sie sei okkulter Natur und stelle eine Form der Selbsterlösung dar, die zu Abhängigkeiten und zum Verlust des christlichen Glaubens führe. Dabei werden weder die unterschiedlichen Formen, noch deren Ziele bewertet. Yoga ist ein komplexes Phänomen, das viele Veränderungen erfuhr, und auch im christlichen Abendland eine Adaption erlebte, die es wert ist, näher zu betrachten.

In unseren Volkshochschulen und Bildungshäusern wird eine Form des Yoga angeboten, das sogenannte Hatha-Yoga, das losgelöst ist vom hinduistischen Weltbild, also nicht die Selbsterlösung anstrebt, sondern die Förderung menschlicher Entfaltungsmöglichkeiten und des Wohlbefindens.

Empirische Studien belegen eine positive Wirksamkeit: Stressbewältigung, verbesserter Schlaf, Heilungen von Kreuzschmerzen, Hypertonie und andere. Weil die innere Sammlung es möglich macht, sich auf Gott einzulassen, dürfen die Übungen des körperkonzentrierten Yoga durchaus als Hinführung in den religiösen Grundakt betrachtet werden.

Im Zweiten Vatikanischen Konzil wurde durch Nostra aetate (lat. für „in unserer Zeit“) in Abschnitt 2 hervorgehoben, dass im Hinduismus asketische Lebensformen und Meditationen praktiziert werden, die Zuflucht zu Gott suchen. Von daher – so der Konzilstext – gehören damit zentrale Praktiken des Yoga zu dem, was im Hinduismus wahr und heilig ist. Das Dekret Ad Gentes (das vom Zweiten Vatikanischen Konzil formulierte Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche) regt im Punkt 18 dazu an, von östlichen Traditionen zu lernen. „Yogakurse… stellen dann kein Problem dar, wenn der Unterricht sich auf religionsneutrale Praktiken, wie sie aus dem körperzentrierten Yoga bekannt sind, beschränkt.“ *

Bedenklich und abzulehnen sind Vorkommnisse wie die autoritäre Herrschaft von Gurus, ökonomische Ausbeutung, psychische Abhängigkeit, Kontrolle der Anhänger, Abschottung und die Koppelung des Yoga an die Lehre der Reinkarnation beziehungsweise einer karmischen Selbstbefreiung.

Das westliche Yoga, das sich abhebt vom östlichen Yoga und die acht Stufen zum Nirwana abkoppelt, hat keinen religiösen Hintergrund. Die Befürchtung, man würde hier vom hinduistischen Gedankengut infiltriert und durch Mantra-Rezitationen (z. B. das OM-Summen) vom christlichen Weg weggeführt, ist grundlos. Wer dennoch meint, Yoga sei eine verborgene, also okkulte Praxis, simplifiziert und hat keine Ahnung von der Materie.

Falsch ist es, das hinduistische Verständnis von Yoga unverändert auf das westliche Denken zu übertragen.

Inzwischen hat im Vatikan ein Seminar stattgefunden (20. – 21. Oktober 2009), an dem internationale Wissenschaftler (Ärzte, Homöopathen, Psychotherapeuten, Priester)  teilnahmen. Dabei wurden die alternativen Heilmethoden wie Homöopathie, Akupunktur, Ayurveda, Kinesiologie, Autogenes Training… als komplementäre Methoden zur Schulmedizin ganz und gar akzeptiert; sogar das Yoga wie es in Europa angeboten wird, stellt kein Problem dar , da es abgekoppelt ist von der hinduistischen Weltanschauung. Man betonte den ganzheitlichen Aspekt der alternativen Methoden und vor allem das Fehlen schädlicher Nebenwirkungen.

Yoga gehört zu den Formen moderner Spiritualität, die genutzt werden darf als eine Möglichkeit der Versenkung, sei es neutral, sei es mit Blick auf den christlichen Gott. Wenn irgendetwas daran problematisch ist, dann eher vielleicht der Yogalehrer. Manchmal ist die Methode sauber, nicht aber ihr Vermittler…

* Kleines Konzilskompendium (Rahner/Vorgrimler). Freiburg  9/1986, S. 356

Über den Autor/ die Autorin

Pater Dr. Jörg Müller SAC

Pater Dr. Jörg Müller SAC stammt von Bernkastel-Kues an der Mosel (geb 1943). Er durchlitt die Schulzeit, ist zweimal sitzengeblieben, und hat sich dann in den Studien der Theologie , Philosophie und Pädagogik (Trier, Innsbruck), Psychologie und Pathologie (Salzburg) davon erholt. Er war Lehrer an verschiedenen Schulen in Trier, Salzburg, Tamsweg und Saarburg, dann Psychotherapeut mit eigener Praxis, bis ihn der Frust packte und er in Tunesien eine T-Shirt-Fabrik baute. Vom Partner betrogen,  kehrte er zurück nach Deutschland und trat in die Gemeinschaft der Pallottiner  ein. Das war 1989 am Tag des Mauerfalls. Im Pallotti Haus Freising gründete er die Heilende Gemeinschaft, eine stationäre, therapeutische Einrichtung für Menschen in seelischer Not. Inzwischen hat er über 60 Bücher geschrieben und 4 Lied-Cassetten herausgebracht; er ist unter anderem auch als Kabarettist  unterwegs.