Impuls zum Advent 2020

Freunde, dass der Mandelzweig… – Advent 2020

Die Adventszeit hat begonnen. Der Adventskranz mit seinen vier Kerzen begleitet uns durch diese Zeit. Das Licht der ersten Kerze leuchtet hinein in eine große Dunkelheit. Die vier Kerzen des Adventskranzes werden hineinmünden in die Lichter des Weihnachtsbaumes. Der Advent ist in diesem Jahr anders, mehr Advent mit seiner Klage und seiner Sehnsucht nach Heil und Erlösung und weniger Vorweihnachtszeit mit Weihnachtsmärkten und Glühwein. Wir sehnen uns nach Begegnungen, ganz normal von Mensch zu Mensch und nicht nur virtuell am Handy oder PC. Wir möchten uns wieder einmal die Hand geben oder liebe Menschen umarmen können. Vor Corona war das selbstverständlich. Die Bedrohung durch Corona fordert von uns eine ganze Menge an Einschränkungen. Wir sind sozusagen gezwungen, zu fasten in diesem Advent 2020. Wobei allerdings Fasten eigentlich etwas Freiwilliges ist, das Menschen auf sich nehmen, um zu Tieferem zu kommen und zu Wesentlichem hinzufinden.

Das Wort Advent kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Ankunft. Advent will vorbereiten auf die Ankunft des Herrn in der Geburt Jesu Christi, die Weihnachten gefeiert wird, und auf die Ankunft Jesu Christi, die wir in seiner Wiederkunft am Ende der Zeiten erwarten. In der alten Kirche war die Adventszeit eine Fastenzeit, Zeit einer neuen Hinwendung zu Gott. Sie wollte und will eigentlich auch heute noch die Sehnsucht nach Gott wach halten, in uns und in unserer Welt. Ursprünglich begann diese Fastenzeit mit dem Martinstag, dem 11. November.

Im Laufe der Jahrhunderte sind eigene Lieder zum Advent entstanden, Lieder eben dieser Hinwendung zu Gott und Lieder voller Sehnsucht nach Heil und Erlösung. Ihr Ursprung liegt oft in Zeiten großer Not. Voller Ungeduld fleht der Jesuit Friedrich Spee in den Zeiten der Hexenverfolgungen: „O Heiland reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf.“ Zu viele von diesen geschändeten Frauen hat er schon auf ihrem letzten Gang zum Scheiterhaufen begleiten müssen. „Hier leiden wir die größte Not. Ach komm, führ uns mit starker Hand vom Elend zu dem Vaterland“, dichtet er weiter. Ähnlich der evangelische Pfarrer Philipp Nicolai von Unna in Westfalen. Als die Pest die Stadt heimsucht, schreibt er sein hoffnungsvolles Lied „Wachet auf, ruft uns die Stimme“. Ein Adventslied neueren Datums ist voll freudiger Erwartung auf das Kommen des Herrn und singt in seiner 4. Strophe: „O Herr, wenn du kommst, hält uns nichts mehr zurück, wir laufen voll Freude den Weg auf dich zu. Dein Fest ohne Ende steht für uns bereit. O Herr, wir warten auf dich.“

Ein schöner Brauch in der Adventszeit ist es, am 4. Dezember, dem Gedenktag der Heiligen Barbara, Zweige von Obstbäumen zu schneiden und in die Wohnung zu holen. Sie dürften etwa zu Weihnachten erblüht sein. Barbara soll Ende des 3. Jahrhunderts gelebt haben und eine sehr schöne intelligente junge Frau gewesen sein. Ihr heidnischer Vater habe sie in einem Turm eingesperrt, aus Eifersucht und weil sie insgeheim Christin geworden war.

In jüngerer Zeit wurde für Schalom ben Chorin ein blühender Mandelzweig zum Zeichen der Hoffnung, Er war in Deutschland geboren worden, aber vor dem Naziregime 1935 nach Palästina ausgewandert. Mitten im 2. Weltkrieg schreibt er 1942 den Text des Liedes, das 1980 von Fritz Baltruweit vertont wurde. „Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt? Dass das Leben nicht verging, soviel Blut auch schreit, achtet dieses nicht gering, in der trübsten Zeit.“

Advent und Weihnachten in diesem Jahr 2020. Viele Menschen sind an Corona erkrankt und gestorben. Viele trauern um Verstorbene, viele leiden an den Folgen dieser Krankheit, Existenzen sind bedroht. Oft können Menschen nur beten. Das fürbittende Gebet erhält einen ganz neuen Stellenwert. Wir verbinden uns im Gebet untereinander, mit den Betroffenen und mit dem mitgehenden Gott, den wir bekennen als Gott Immanuel, als Gott mit uns. Lassen wir es uns mit Worten von Schalom ben Chorin gesagt sein in dieser Advents- und Weihnachtszeit 2020: Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt, achtet dieses nicht gering in der trübsten Zeit.

 

Bild: Subbotina Anna Adobe Stock

Über den Autor/ die Autorin

Pater Heinz-Willi Rivert SAC

Geboren 1960 in Rheinbach bei Bonn. Katholischer Priester in der Gemeinschaft der Pallottiner, Diplom in Theologie und in Psychologie. Ehemals in der Jugend-, Pfarr-, Schul- und Hochschulseelsorge tätig, kurz nach der Wende von 1989 auch für drei Jahre im Bistum Erfurt. Seit 2020 lebt er im Missionshaus der Pallottiner in Limburg/Lahn. Er ist tätig in der Seelsorge, in religiöser Erwachsenenbildung und in der freien Mitarbeit bei verschiedenen Publikationen.